BVG plant Induktiv-Strecke
Leise, fast unhörbar, fahren die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in die Zukunft. Der Aufsichtsrat des Landesunternehmens hat am Montag dem Plan zugestimmt, eine Busstrecke auf elektrischen Betrieb umzustellen. Ausgewählt wurde die Linie 192, die im Osten der Stadt die S-Bahnhöfe Friedrichsfelde Ost und Marzahn verbindet. Batteriebusse des polnischen Herstellers Solaris sollen Ende 2014 erstmals Fahrgäste befördern. Bundesweiter Vorreiter ist Berlin aber nicht: Woanders sind E-Busse schon im Linieneinsatz unterwegs – zum Beispiel in Osnabrück, im Kreis Pinneberg und ab Dezember auch in Braunschweig.
In sechs Minuten aufgeladen
Sie sind zwölf Meter lang, bieten 34 Sitz- sowie 40 Stehplätze und sie holen sich den Strom aus der Straße – mit Hilfe einer Hilfe eines drahtlosen Systems, das an Ladestationen elektrischer Zahnbürsten erinnert. Für die Linie 192 werden vier Batteriebusse des Typs Solaris Urbino 12 electric gebraucht, ein weiterer ist als Reserve eingeplant. Vier Millionen Euro hat die BVG für den Kauf der fünf Fahrzeuge veranschlagt.
Ihre Energie besorgen sie sich an den Endstationen. Dort werden sich in der Fahrbahn die Ladepunkte befinden. Erst wenn sich der Bus abgesenkt hat und vom System erkannt worden ist, wird der Strom eingeschaltet – und die Batterien werden in nur sechs Minuten geladen. Die Technik heißt Primove, stammt von Bombardier und wurde in Belgien sowie Augsburg getestet.„Niemand muss fürchten, einen Schlag zu bekommen oder dass sein Herzschrittmacher aus dem Takt gerät“, hieß es. „Die Ladepunkte sind beim Laden abgeschirmt, danach wird der Strom wieder ausgeschaltet.“
Eine der 149 Buslinien in Berlin soll ab 2014 elektrisch betrieben werden. Dort will die BVG Elektrobusse einsetzen, die in Polen bei Solaris gefertigt worden sind, aber viele deutsche Bauteile enthalten. Polen und China haben einen großen Weltmarktanteil.
Aus Sicht des größten kommunalen Busbetriebs in Deutschland ist die Linie 192, die je nach Abschnitt im 10- oder 20-Minuten-Takt befahren wird, ideal für einen Praxistest. Auf der 9,8 Kilometer langen Nord-Süd-Strecke sind viele Fahrgäste unterwegs, aber nicht zu viele, so die BVG. Jährlich müssen die E-Busse dort insgesamt mehr als 3,4 Millionen Kilometer zurücklegen. Der Betriebshof Lichtenberg ist nicht weit weg. An der Siegfriedstraße sind außer Bussen auch Straßenbahnen stationiert, dort gibt es Werkstätten und Techniker. „Wenn der Ausfall länger dauert, kann schnell Ersatz geholt werden“, so ein Bus-Experte.
Für das Projekt war zuletzt auch die Buslinie 204 (Zoo–Südkreuz) in der Diskussion. Sie hätte nach Meinung von Experten den Vorteil gehabt, dass sie durch die City West und damit mehr im Blickfeld der Öffentlichkeit verläuft. Doch es blieb unklar, wo die Ladepunkte installiert werden. Die Zukunft des Busparkplatzes an der Hertzallee hinter dem Bahnhof Zoo ist ungewiss, und im Fall des Südkreuzes würden Verhandlungen mit der Bahn nötig.
„Für uns ist wichtig, dass die Strecke eine gewisse Sichtbarkeit hat und repräsentativ ist“, sagte Gernot Lobenberg, der Leiter der Berliner Agentur für Elektromobilität.
„Das ist Unsinn“
Der Bund gibt einen Großteil des Geldes. Denn der E-Bus-Betrieb ist eines von rund 150 Forschungs- und Entwicklungsprojekten, mit denen sich Berlin und Brandenburg beim Bundeswettbewerb „Schaufenster Elektromobilität“ erfolgreich beworben haben. Geplant ist, dass sich auch der Senat beteiligt. Er soll dafür sorgen, dass die finanziell klamme BVG bei dem bis 2020 kalkulierten Betrieb nicht draufzahlt. „Sonst hätten wir dem Projekt nicht zugestimmt“, hieß es in Aufsichtsratskreisen. Schließlich müsse die BVG für den Fall, dass die Elektrotechnik kollabiert, bis zu sechs Dieselbusse vorhalten – das kostet. Der Entwurf einer Finanzierungsvereinbarung liegt dem Vernehmen nach vor. Die Rede ist von einem Zuschuss von rund 1,6 Millionen Euro.
Der Vorteil der Elektrobusse könnte auch ein Nachteil sein, gab ein Aufsichtsratsmitglied zu bedenken: „Sie sind so leise, dass man sie kaum herannahen hört. Das wird ein Sicherheitsproblem sein.“ Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB hielt nichts von dem Projekt: „Das ist Unsinn. Der Aufwand ist hoch, der Effekt klein. Wir fordern den Senat auf, auf eine andere Form der Elektromobilität zu setzen – und das Straßenbahnnetz auszubauen.