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Was ist von der großen Koalition zu erwarten?

Andreas Michael Reinhardt hat sich eingehend mit dem Koalitionsvertrag beschäftigt. Mit der Bildung des neuen Kabinetts beginnt nun das Regieren. Welche Richtung die Politik einschlägt, und wieviel wohl von den Vorhaben aus dem Koaltitionsvertrag im Tagesgeschäft übrig bleiben wird, beleuchtet dieser Beitrag des BSM-Vorstands.


I. Neue Regierung, neuer Koalitionsvertrag, was nun?

Deutschland hat im September den 18. Bundestag gewählt und ein neuer Koalitionsvertrag wurde im November zwischen Unionsparteien und SPD unterschrieben. Das Thema Elektromobilität wurde zur Überraschung Vieler breit ausgeführt. Erstmals erwähnt in einem Koalitionsvertrag wurde das Thema „Elektromobilität“ 2009 zwischen CDU/CSU und FDP. Unter der Überschrift “Energieforschung, Speicher und Mobilität“ formulierte damals die Regierung Merkel II ihre Absicht, “eine breit angelegte und technologieoffene Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie“ zu entwickeln, welche „alle alternativen Technologien und Energieträger berücksichtigen“ soll. Zudem solle sich Deutschland zum „Leitmarkt“ der Elektromobilität entwickeln, hieß es.

Im Dezember 2013 darf man durchaus die Frage stellen, ob in Deutschland für Europa und international ein „Leitmarkt Elektromobilität“ im Entstehen ist oder man gar von „Leitanbieterschaft“ deutscher Unternehmen im Weltmarkt Elektromobilität sprechen kann? In der Tat hat die bisherige Bundesregierung alternative Antriebskonzepte bei der Fahrzeugtechnologie und Elektromobilität gefördert. Ein umfassendes Entwicklungsprogramm wurde bereits zuvor 2008 anl. des „Konjunkturprogramms II“ aufgelegt. Die letzte Bundesregierung hat die Förderung zwischen 2009 und 2013 ausgeweitet auf mehr als 1.5 Mrd. € Fördervolumen.

Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) wurde erstmals im Mai 2010 eingerichtet, um zwischen Regierung, deren Ministerien und den zu beteiligenden Industriebranchen, den Hochschulen, den Forschungs-Einrichtungen und der Zivilgesellschaft nachhaltige Strategien für eine elektromobilere Gesellschaft zu vereinbaren. Die NPE zog bekanntlich unter Vorsitz von Prof. Henning Kagermann 1 positive Zwischenbilanzenuns gut bekannt sind die Zwischenberichte I, II und IIIauf dem Weg zur Umsetzung Ihrer Strategie, nämlich unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und das politische Ziel zu erreichen, bis zum Jahr 2020 1 Mio. E-Fahrzeuge für Deutschlands Strassen zugelassen zu wissen.

II. Koalitionsvertrag 2013 - 2017; CDU/CSU und SPD
Das gute Zusammenspiel der Akteure der NPE und der Vertreter der Bundesregierung und der Ministerien kann man u.a. daran ablesen, dass im neuen Koalitionsvertrag erstmals in großer Länge auch die Regierungsziele Elektromobilität beschrieben sind. Das ist außergewöhnlich für eine in großen Teilen technologiepolitische Zielstellung, angesichts der Bedeutung anderer wichtiger politischer Ziele. Es betont aber auch die Dringlichkeit, mit der strategisch die Innovationspolitik im Bereich Fahrzeugindustrie ab 2013 angegangen und die bestehenden Kernkompetenzen deutscher Unternehmen und Institutionen dringend gestärkt aber auch erweitert werden müssen.So heisst es im Koalitionsvertrag auf Seite 2 unter der Überschrift „Strategische Innovationspolitik“….“Wir werden neue branchenübergreifende Netzwerke und die Bildung von Innovationsclustern stärker als bisher unterstützen. Wir wollen Verfahrensinnovationen fördern, die das Zusammenspiel von Industrie und industrienahen Dienstleistungen (etwa IT und Logistik) weiter verbessern.“

Die Bundesregierung setzt verstärkt auf Bildung von Innovationsbündnissen. Das ist gut so. Jedoch müssen sich Innovationsbündnisse im Marktumfeld bilden und behaupten und deren Initiierung bzw. Unterstützung darf nicht Folge einer staatlichen Lenkung sein. Mehr Spitzenwettbewerbe statt dem „Zusprechen“ von Projekten sind notwendig. Wir brauchen mehr Spitze aber auch mehr Themenbreite bei der Elektromobilität. Einen ganzen Abschnitt widmet der neue Koalitionsvertrag dem Thema „Forschung für die Mobilität der Zukunft“ auf Seite 28:

Die von uns geförderte Mobilitätsforschung wird zukünftig verstärkt die gesamte Breite von Mobilitätsangeboten auch unter gesellschafts- und sozialwissenschaftlichen Aspekten in den Blick nehmen. Bei der Automobilforschung sehen wir die Herausforderungen für die Forschung – im Kontext der Plattform Elektromobilität – weiterhin vor allem bei der Energiespeicherung und dem Energieverbrauch unter Praxisbedingungen. Wir setzen zudem auf die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnik für eine vernetzte, sichere und effiziente Mobilität.“

Aus Sicht des BSM ist diese neue Fokussierung auf einen wichtigen Bereich, die Mobilitätsforschung im Kontext Elektromobilität, positiv. Greift doch die Regierung Themen auf, für die sich der BSM seit Jahren einsetzt und die er anlässlich der Hannovermesse / MobiliTec 2013 breit beworben und gegenständlich mit Exponaten seiner Mitglieder und Aussteller untersetzt hatte.

Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass die Erkenntnis allgemein Platz greift, dass ohne soziökonomische Betrachtung, deren forschende Mitwirkung und Ergebnisse die Nutzerakzeptanz für und die Kaufentscheidung zugunsten Elektrofahrzeugen in der Bevölkerung nicht getroffen werden wird!

III. „Technologie-offene“ Forschung und zeitnahe Projektumsetzungen
Man kann auch der Bundesregierung zustimmen, dass „technologie-offen“ geforscht und entwickelt werden soll in den seitens der Regierung aufgelegten und neu hinzu kommenden Förderprogrammen. Mit Blick auf die weltweit – nicht unbedingt in Deutschlanderzielten Fortschritte bei der Elektromobilität kann man jedoch nur hoffen (und bangen?), dass die Bundesregierung einer zeitnahen administrativen und haushaltsrechtlichen Umsetzung von Förderprogrammen mehr Augenmerk widmet und es zukünftig vermieden wird, viele Projektantragsteller zu enttäuschen aus Gründen, welche diese absolut nicht zu vertreten haben. Ich spreche hier vom Energie- und Klimafonds“ (EKF), dessen finanziell schlechte Ausstattung viele E-Mobility-Projekte in 2012/13 ins Stolpern brachte. Diese Bewilligungsverspätungen waren und bleiben inakzeptabel. Das demotiviert wichtige Akteure!.

IV. Anreize für Elektromobilität sind weiterhin notwendig
Neben der Bundesregierung beschäftigen sich zahlreiche Bundesländer engagiert mit Herausforderungen der Elektromobilität. Über den Bundesrat wurden in 2013 zahlreiche Initiativen z.B. durch Hamburg und Baden-Württemberg eingebracht. Zuletzt verabschiedete der Bundesrat am 29. November 2013 Maßnahmen, die allerdings durch die Bundesregierung dann ausgeführt werden müssensofern zugestimmt werden wird.

So sollen die Gemeinden den Marktteilnehmern alsbald konkret Aufschluss geben, welche nutzerorientierten Anreize (statt Kaufprämien) und andere Rahmenbedingungen in Deutschland ab 2014 zugunsten der Elektromobilität gelten sollen. Zur Diskussion stehen zum Beispiel:

  1. Schnelle Kennzeichnung und Markteinführung elektrisch betriebener Fahrzeuge. Das wurde ja ausführlich auch bei der Nationalen Plattform Elektromobilität diskutiert, auch innerhalb des BSM und bekanntlich hat ja unser Mitglied G. Schulte –Tigges den E-Kennzeichen- Vorschlag als Erster gemacht und seitdem engagiert verfochten.
  2. Schnelle Ausweisung von Parkplätzen und –Räumen im Zusammenhang mit E-Ladehalten und deren rechtlicher Schutz vor unberechtigten Parkern.
  3. Förderung einer angemessenen Elektrofahrzeug- Ladeinfrastruktur. Nicht nur die EU stellt fest: Es fehlen überall in EU ausreichend Ladedosen!
  4. Beschaffungsmaßnahmen von Bund, Länder und Kommunen von E-Fahrzeugen. Wäre ein 20% E-Anteil bei öffentlichen Fuhrparks vorbildlich?

Statt Kaufpreisprämie gibt es meiner Meinung nach zahlreiche Möglichkeiten, wie Bund, Länder und Gemeinden die Elektromobilität wirksam befördern können, vor Ort, konkret und last but not least die Kauf- oder Mietent-scheidung zugunsten Elektrofahrzeugen entscheidend verbessern

V. Koalitionsvertrag spricht von „neuer Mobilitätskultur“
Der Koalitionsvertrag widmet dem Thema „Neue Mobilitätskultur und Vernetzung“ einen eigenen Abschnitt. Ebenso dem Thema „ÖPNV in Stadt und Land“. Das begrüßen wir aus Sicht des BSM weil insbesondere die nutzerfreundliche Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel und eine verkehrsträgerübergreifende Datenplattform notwendig ist, welche allen Verkehrsanbietern und Nachfragern diskriminierungs- und barrierefrei und interoperabel zur Verfügung stehen sollte.
2 Der BSM spricht von „systemischer Mobilität“, Volkswagen AG nannte es „systematische Mobilität“, das InnoZ in Berlin spricht von „Multi-Modalität“, das DIFU in Berlin nennt es „Multi-Mobilität“. Jedenfalls geht das Bemühen dahin, so auch bei dem vom BSM und der TU Berlin/IVP geführten „Schaufenster Elektromobilität“–Förderprojekt Berlin-Brandenburg, der „Mobilitätsschule“, nicht länger vordergründig (nur) lade-, bedienungs- oder fahrzeugtechnische Aspekte der Elektromobilität zu thematisieren, sondern die multimodale Nutzung von allen Verkehrsangeboten zu fokussieren. Das steht auch im Vordergrund der Fahrausbildung in der Fahrschule „Verkehr human“ in Berlin, Graefestr. 74 in 2014/15 im Rahmen des o.g. Projekts.3

VI. Bilanz Elektromobilität Koalition 2009 – 2013?
Bekanntlich entwickelt und produziert keine Regierung Fahrzeuge, geschweige denn Elektrofahrzeuge. Mit ihrer Politik national und ihr Mitwirkung auf EU-Ebene setzt jedoch die Bundesregierung Rahmenbedingungen, welche die Elektromobilität befördern oder hemmen können. Das haben wir gerade bei der CO2-Grenze von 95g/km konsterniert feststellen müssen. Die Automobilindustrie hat sich durchgesetzt mit den Forderungen, diese Grenzen statt 2020 erst 2022 wirksam werden zu lassen und der Absicht, jedes gebaute und verkaufte E-Fahrzeug höher anuzurechnen auf die Anzahl aller hergestellten Kraftfahrtzeuge.

Hier hat sich auch der EU-Rat (Regierungen) gegen das EU-Parlament und die EU-Kommission durchgesetzt, und Deutschland hat an Reputation in Sachen Klimaschutzpolitik auch deshalb eingebüßt. Eine wichtige Frage ist, wie lange und wie oft noch die Bundesregie-rung unsere Automobilindustrie zur Seite stehen muss bei der Elektromobilität und wann diese (endlich) eigenständig im internationalen Wettbewerb die besten, energieeffizientesten und umweltfreundlichsten E-Fahrzeuge bauen wird?

Es tut sich was, auch in Deutschland. Wir sahen in 2013 die Markteinführung u.a. von BMW i3 und VW e-UP neben zahlreichen internationalen Marktpremieren wie Renault ZOE in den Volumenmärkten.

Wie sieht die Koalitionsbilanz Elektromobilität 2013 aus?

1.) Es hiess: “Bei der Fahrzeugtechnologie und Elektromobilität wollen wir insbesondere alternative Antriebskonzepte im Interesse zukünftiger, umweltfreundlicher Verkehrskonzepte in den Mittelpunkt rücken.“
4

Es kann durchaus festgestellt werden, dass einige alternative Antriebskonzepte bis Ende 2013 vorgestellt wurden, allerdings haben die Wettbewerber unserer Autohersteller bekanntlich mehr Neufahrzeuge vorgestellt mit elektrischem oder Hybrid-Antrieb. Erst seit dem Herbst bzw. im 2. Halbjahr 2013 können neu entwickelte Batterie- elektrische Fahrzeuge deutscher, klassischer Automobilhersteller gekauft werden, wenn man von einem Zweisitzer in III. elektrischer Generation aus dem Hause eines Stuttgarter Herstellers absieht und einem E-Fahrzeug mit Range Extender aus Rüsselsheim.

2.) „Besonderen Schwerpunkt legen wir auf die Förderung innovativer Batterietechnologien. Deshalb müssen neben der Elektromobilität auch die Weiterentwicklung von Brennstoffzelle und Wasserstoff vorangetrie-ben werden. Es gilt aber für uns der Grundsatz der Technologieneutralität.“

Leider muss festgestellt werden, dass trotz Förderung innovativer Batterietechnologien weder erkennbar ist, dass ein technologischer Durchbruch in naher Zukunft in Deutschland gelingen wird, noch haben deutsche E-Fahrzeuge einen größeren Anteil von Traktionsbatterien aus deutscher Fertigung an Bord. Im Gegenteil: Deutsche OEM(s) bevorzugen aus Technologiegründen offensichtlich nicht mal die mit ihrer Venture Beteiligung entstandenen deutschen Batteriehersteller.

Auch bei den Brennstoffzellen wird der Optimismus der Forscher und Entwickler nicht geteilt von vielen OEMs.(Original Equipment Manufacturers; so bezeichnen sich landläufig die Automobilhersteller)

3.) „In Deutschland muss sobald wie möglich mit dem Aufbau eines Netzes von Ladestellen für Elektrofahrzeuge in Ballungsräumen begonnen werden. Staatliche Aufgabe ist es dabei, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen; Aufbau und Betrieb dieser Ladestellen ist Aufgabe der Privatwirtschaft.“

Leider müssen wir heute feststellen, dass weder ein ausreichendes Netz von Ladestellen für Elektrofahrzeuge in Ballungsräumen errichtet ist, noch besteht Einigkeit zwischen Brüssel, Berlin und uns Bundesländern, was Umfang, Standards und Ausstattung solcher Ladestellen in Stadt und Land anbelangen.

Erst dieser Tage hat das Europäische Parlament5 in seinem zuständigen Ausschuss (TRAN) für Deutschland von 86.000 Ladestellen gesprochen. Wir erinnern uns: Es waren auch schon die Zahlen 1,5 Mio. und 150.000 im Gespräch in vorangegangenen Beschlussentwürfen. Letztere Zahl hatte auch die NPE bereits genannt. Bleibt festzuhalten, dass wir belastbare Ergebnisse aus Studien, Untersuchungen und Modellregionen brauchen. Dann wird klar, was wir in den Jahren 2014-2017 an öffentlich errichteter Ladeinfrastruktur mit auf den Weg bringen sollen, sei es durch Mobilitätsdienstleister und Energieversorgungsunternehmen, sei es durch geförderte Projekte, durch öffentliche Köperschaften gefördert und errichtet oder von Privaten mit Genehmigung bzw. Konzession von Kommunen, Landkreisen oder den jeweiligen Landesbehörden.

4.) Positiv kann die bisherige Koalition und Regierung verbuchen, dass sie die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) im Mai 2010 erfolgreich aus der Taufe gehoben hat und in Absprache mit Forschung, Industrie und Zivilgesellschaft einen Handlungs-und Entscheidungsprozess zugunsten der Elektromobilität und dessen Verknüpfung mit den Bundesressorts initiiert hat, der unbestritten Deutschlands Autoherstellern hilft, den Anschluss zur Weltspitze nicht zu verlieren. Gleichwohl muss man zum Jahresende 2013 konstatieren, dass wir in Deutschland noch Meilen entfernt sind, einen „Leitmarkt Elektromobilität“ entwickelt zu haben, noch könnte man behaupten, dass es eine „Leitanbieterschaft“ deutscher Hersteller bereits gäbe angesichts der Wettbewerber aus Japan, USA und Frankreich zum Beispiel.

VII. Elektroantrieb: Paradigmenwechsel für den Mobilitätssektor
Wer weiß nicht um den disruptive Charakter der Elektromobilität? Wer ahnt nicht die dramatischen Auswirkungen auch für unsere beteiligten Industrien, Forschungseinrichtungen, Zulieferer und letztlich für unseren Wohlstand in unseren Ländern und Gemeinden, wenn es um Arbeitsplätze, Verteilung der Wertschöpfung, um Umsätze und Gewinne geht? Die Forschung und Förderung von Unternehmen und Wissenschaften bleiben auch bis 2020 dringend notwendig, denn noch sind die technischen Herausforderungen bei Antriebsstrang, Batterie, Leichtbau, Informations-und Kommunikationstechnologien, bei Qualifizierung, Recycling bis hin zur Intermodalität und Multi-Mobilität- Verknüpfung nicht gelöst. „So viel Mobilität wie notwendig, so wenig Individualfahrzeug wie möglich“, lautet die Richtschnur nicht nur für die Megacities und den urbanen Raum aufgrund der heute schon schlechten Umweltbedingungen.

Es stellt sich die Frage, wie eine nachhaltige Forschungsförderung Elektromobilität in 2014-2017 aussehen müsste.

VIII. Elektromobilität und der ‚urbane Raum‘
Ist die bei der Elektromobilität, auch bei der NPE, bisher getroffenen Unterscheidung in „urbanen Raum“ und „ländlichen Raum“ noch zeitgemäß, angemessen und berechtigt angesichts der technologischen Entwicklung bei Traktionsbatterien, was deren Zyklen-Festigkeit (5.000 Zyklen Lebenszeit garantiert inzwischen von Industrie bei Lithium-Ionen-Batterien) und Energiedichte anbelangen (Tendenz zu mehr als 200 Wh/kg Batterie)?

Wie jüngst ein Normungs-Fachgremium feststellte: Nicht das E-Fahrzeug überlebt die Batterie sondern umgekehrt, die Lebensdauer der Batterien (für 500 - 700.000 km Reichweite ausgelegt) wird voraussichtlich die Lebensdauer des E-Fahrzeug (Durchschnitt 120.000 km) übertreffen. Das hat Konsequenzen, meinen auch die Fachleute. Was bedeutet das für unsere verbandspolitische Arbeit, was für die NPE, bei der ja auch der BSM mitwirkt?

IX. Elektromobilität, NPE und die Nutzfahrzeuge
Angesichts der internationalen Marktentwicklungen bei Nutzfahrzeugen und Bussen mit elektrischem Antrieb und des Antreffens von vielen derartigen E-Fahrzeugen in unseren Kommunen, und sei es auch nur zu Probefahrten und Teststellungen, stellt sich die Frage, ob wir nicht eine Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) für E-Nutzfahrzeuge und E- Busse benötigen?

Kann es sein, dass unsere Industrien hier einem Vorsprung ausländischer Hersteller erneut hinterher laufen? Wäre es möglich, dass man das Potentialman spricht auch z.T. von „großen Nischen“, nicht richtig eingeschätzt hat und ausländische Fabrikate, insbesondere aus China, hier einen bedeutenden Marktvorsprung bereits errungen haben?

Bekanntlich ist in der NPE der Nutzfahrzeugbereich, hier z.B. Arbeitsmaschinen und Busse, nicht im Fokus gestanden und auch nur wenig bisher betrachtet worden unter dem Gesichtspunkt Elektrifizierung. Das ist nach Meinung des BSM jetzt vordringlich zu thematisieren bei der NPE ab 2014. Die NPE gilt es um diese Fahrzeugklassen zu erweitern und den Pkw aus dem engen NPE-Fokus zu entlassen in einen breiteren, eher systemischen Ansatz, so wie es ja auch das neue Koalitionspapier anspricht.

Schlussendlich wäre es aus Sicht des BSM und unserer Mitglieder zu begrüßen, wenn wir zum Ende des I. Quartals 2014 einen ad-hoc-Bericht der neuen Bundesregierung vorliegen hätten, der aktuell den Stand der Elektromobilität innerhalb der EU-Länder und auch im internationalen Vergleich thematisiert und konkrete Einschätzungen und Handlungsempfehlungen- insbesondere bei der angemessenen Ladeinfrastruktur in der Fläche- ausspricht. Vielleicht könnte zur Hannovermesse 2014 im MobiliTec-FORUM die Bundesregierung hierzu Ihre Erkenntnisse und Meinungen einbringen?

Bekanntlich plant die Hannovermesse im MobiliTec-Forum (erstmals Halle 27!) ein neues Veranstaltungsformat. Eine kurzweilige Podiumsrunde jeweils von 10-11:00 Uhr vormittags, moderiert und aktuelle Themen aufgreifend.
Aus unserer Sicht wäre es hilfreich, wenn die Bundesregierung und die NPE öffentlich Stellung beziehen zu folgenden Fragen bzw. Themen:

  1. Wie ist der Stand NPE Ende 2013, was sind die Herausforderungen, wo sind deutliche Fortschritte im internationalen Kontext sichtbar, wo Hemmnisse? Wie steht es um Ladeinfrastruktur, Konnektivität und Standardisierung?
  2. Wie ist der Stand Elektromobilität in den EU-Staaten und international, was bedeuten zum Beispiel die beispielhaften Modellprojekte „Malaga“(Spanien), „Rotterdam“(Niederlande),“Oslo“(Norwegen) und Nord-Ost-England-Region mit Sunderland im Wettbewerbsvergleich mit unseren deutschen Modellregionen?
  3. Könnte es sein, dass mit Blick auf die Modellregionen und -Projekte Elektromobilität wir in Deutschland eine Effizienzsteigerung auch im Verwaltungshandeln benötigen, damit zwischen Projektidee, deren Einreichung, Prüfung, Bescheidung und Bewilligung weniger Zeit vergeht und Ungewissheit hingenommen werden muß?
  4. Wie reagiert Deutschland darauf, dass die EU mit dem neuen „Horizont 2020“-Forschungsprogramm die Verwaltungsabläufe auf max. 9 Monate begrenzen will zwischen Skizze, Antrag und Bewilligung? Für wen eignet sich eine Beteiligung auf EU-Ebene?
  5. Trifft es zu, daß die mangelnde internationale Standardisierung bei Ladestellen (Stecker, Netz-Kommunikation, Ladeleistung „schnell“ (Chademo, CCS)) eine Entscheidung verhindert, wie viele Ladehalte wo halb-/öffentlich ausgebracht werden sollte, auch mit öffentlicher Unterstützung?
  6. Welchen Ausbaustand öffentlicher Ladeinfrastruktur in Ländern, Gemeinden, „urbanen Raum“ bzw. „ländlichen Raum“ angesichts unterschiedlicher Sichtweisen benötigen wir konkret und wer beteiligt sich
    jetzt definitiv an der Finanzierung dieser für die Entwicklung der Elektromobilität so wichtigen Infrastrukturmaßnahme?
  7. Wann kommen die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu Lade-/E-Parkraum, Privilegierung Fahrwege, E-Kennzeichen angesichts der Bundesratsbeschlüsse vom 29. November 2013 und der bisherigen Entwürfe von Bundesregierung und NPE zu diesen Themen?

Mit welchen Entscheidungen der neuen Bundesregierung dürfen wir wann rechnen?6

X. Fazit
„Das Glas ist halbvoll“, wir machen Fortschritte. Ich bin verhalten optimistisch, sofern alle Akteure ihre Hausaufgaben jetzt konkret machen und zeitnah auch die Rahmenbedingungen so kommen, wie sie jetzt ausreichend diskutiert und zwecks Förderung der Elektromobilität zu treffen sind. Dass der Markt für Elektrofahrzeuge dort steht, wo er sich jetzt auf niedrigem Zulassungsniveau in Deutschland befindet, haben wir auch den Chefetagen der Automobilindustrie zu verdanken, welche angesichts fehlender eigener „Produkt-Pipeline“ Elektrofahrzeuge zwischen 2009 und 2013 kleinredeten und angesichts der Wettbewerber mit ihren E-Fahrzeugen die Bedeutung des E-Fahrzeugs immer wieder grundhaft in Zweifel stellten. Der Zitat-Friedhof zur Elektromobilität“ mancher Medien spricht da Bände!

Gegenüber den USA und Japan sind wir in Europa bei Innovationen und E-Fahrzeugen noch rückständig. Da machen nur die Franzosen „etwas Sommer“. Oder europäische Modellregionen und vorbildhafte Initiativen.
Oder Nissan mit seiner bemerkenswerten E-Taxi-Fertigung (für u.a. New York!) in Barcelona. In keiner E-Disziplin sind wir derzeit nobelpreis-verdächtig, wie jüngst ein prominenter Norweger feststellte. Ob bei der Batterie, bei CarSharing, bei E-Fahrzeugen, bei E-Nutzfahrzeugen. Das könnte man fortführen…

Trotzdem, „die Hoffnung stirbt zuletzt“ und hoffentlich zuvor manche Zitate zur Elektromobilität aus den Topetagen. Die heissen doch nicht alle ‚Wilhelm II‘, oder?
Andreas-Michael Reinhardt©
VG Wort

1 (acatech-Präsident, München, und ehem. Vorstandsvorsitzender SAP AG, Walldorf)

2 Koalitionsvertrag 2013; CDU/CSU und SPD, a.a.O., S.12;

Strategische Innovationspolitik:„Wir treten für eine strategische Innovationspolitik ein, die von Deutschlands traditionellen industriellen Kernkompetenzen ausgeht. Wir werden neue branchenübergreifende Netzwerke und die Bildung von Innovationsclustern stärker als bisher unterstützen. Wir wollen Verfahrensin-novationen fördern, die das Zusammenspiel von Industrie und industrienahen Dienstleistungen (etwa IT und Logistik) weiter verbessern.

Wir wollen, dass sich Partner aus Wirtschaft, Gewerkschaft, Wissenschaft und Bildung in Innovationsbündnissen zusammenschließen. Die Initiierung von Innovationsprozessen zum Beispiel durch Spitzenclusterwettbewerbe oder durch Netzwerke wie die Nationale Plattform Elektromobilität wollen wir auf alle Leitmärkte – auch in Europa – ausweiten.“

S.28; Forschung für die Mobilität der Zukunft „Die von uns geförderte Mobilitätsforschung wird zukünftig verstärkt die gesamte Breite von Mobilitätsangeboten auch unter gesellschafts- und sozialwissenschaftlichen Aspekten in den Blick nehmen. Bei der Automobilforschung sehen wir die Herausforderungen für die Forschung – im Kontext der Plattform Elektromobilität – weiterhin vor allem bei der Energiespeicherung und dem Energieverbrauch unter Praxisbedingungen. Wir setzen zudem auf die Nutzung moderner. Informations- und Kommunikationstechnik für eine vernetzte, sichere und effiziente Mobilität.“

S.37; „Am Ziel, eine Million Elektroautos in allen unterschiedlichen Varianten für Deutschlands Straßen bis zum Jahr 2020, wollen wir festhalten. Den Aufbau der entsprechenden Lade- und Tankstellenin-frastruktur treiben wir voran. Die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellen-technologie (NOW) wird ab 2016 ihre Arbeit auf die Implementierung und den Markthochlauf der Brennstoffzellentechnologie im stationären und mobilen Bereich konzentrieren. Bei der Unterstützung des Markthochlaufs der Elektromobilität setzen wir auf nutzerorientierte Anreize statt auf Kaufprämien. Wir schaffen die Rahmenbedingungen für eine schnelle Kennzeichnung und Markteinführung elektrisch betriebener Fahrzeuge. Der Bund wird seinen Fuhrpark sukzessive umrüsten. Die Zuständigkeit für die Verkehrsforschung werden wir bei dem für Verkehr zuständigen Ministerium bündeln. Neue Mobilitätskultur und Vernetzung. Unser Ziel ist eine nachhaltige Mobilitätskultur und eine nutzerfreundliche Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel. Dazu fördern wir verkehrsträger-übergreifende Datenplattformen auf open-data-Basis, die über Mobilitätsangebote, Staus, Verspätungen und Fahrplandaten informieren. Mit der Vernetzung von Verkehrsinformationen und Ticketsystemen können den Menschen innovative digitale Mobilitätsdienste zur Verfügung gestellt werden. ÖPNV in Stadt und Land

Wir werden Innovationen vorantreiben, um den Umweltvorteil des ÖPNV auszubauen. Wir unterstützen die [bundesweite Einführung des Elektronischen Tickets] und ein verbessertes bundesweites Fahrgastinformationssystem. Mit Blick auf den ländlichen Raum wollen wir die Rahmenbedingungen für alternative Bedienformen wie Ruf- und Bürgerbusse verbessern und die Entwicklung innovativer Mobilitätsansätze vor Ort unterstützen. Im Straßenverkehrsrecht schaffen wir die Möglichkeit, dass Kommunen Parkplätze rechtssicher für Carsharing-Autos und Elektroautos ausweisen können.

Fernlinienbusse
Die Entwicklung auf dem Fernbusmarkt beobachten wir aufmerksam auch mit Blick auf die Auswirkungen auf den Schienenverkehr, die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards und die Sicherheit. Mit Hilfe des Bundesamtes für Güterverkehr gewährleisten wir eine ausreichende Kontrolldichte. Wir werden uns gemeinsam mit den Ländern für eine einheitliche Genehmigungspraxis für Fernbuslinien einsetzen.“

Die Umsetzung der gesetzlich geforderten Barrierefreiheit unterstützen wir mit einem Handbuch, das wir gemeinsam mit den Akteuren erstellen werden.

Radverkehr
Wir wollen den Anteil des Fahrradverkehrs als umweltfreundliche Mobilitätsalternative weiter steigern. Ausgerichtet an den Zielen des Nationalen Radverkehrsplans. 2020 werden wir den breiten gesellschaftlichen Dialog über neue Wege und Umsetzungsstrategien zur Radverkehrsförderung intensivieren. Das Radwegenetz an Bundesverkehrswegen werden wir weiter ausbauen und die gesetzliche Grundlage für den Radwegebau an Betriebswegen unserer Bundeswasserstraßen schaffen. Um die Verkehrssicherheit im Radverkehr zu stärken, wollen wir an Bundesfernstraßendurch eine optimierte Infrastrukturplanung der Bildung von Unfallschwerpunkten vor beugen und bestehende beseitigen. Zukunftsweisende Projekte an der Schnittstelle ÖPNV/Carsharing/Fahrrad werden wir weiter fördern. Wir wollen darauf hinwirken, dass deutlich mehr Fahrradfahrer Helm tragen.

3 Siehe auch www.mobilitaetsschule.de

4 Koalitionsvertrag 2009: S. 40; Elektromobilität: „Als mittel- bis langfristige Alternative zu fossilen Brennstoffen wollen wir die Weichen für Elektromobilität in Deutschland durch ein umfassendes Entwicklungsprogramm stellen.

Wir wollen Deutschland zu einem Leitmarkt für Elektromobilität machen und dabei bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straßen bringen. In Modellregionen werden wir zukunftsweisende, ganzheitliche Verkehrskonzepte („Mobility on Demand“) erproben. In das Konzept der Modellregionen wollen wir auch ländliche Räume einbeziehen….“

5 Beschlussempfehlung EU Parlament für die Anzahl an E-Ladestationen: Für D. jetzt „nur noch“ 86.000 von 150.000, zuletzt. Ursprünglich 1.5 Mio. Ladestellen. Position on the European Commission’s proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on the deployment of alternative fuels infrastructure -¬‐2013/0012 (COD) PLATFORM FOR THE ELECTRIFICATION OF SURFACE TRANSPORT

Reaction to the EP TRAN Committee’s amendments to the proposed Directive on the deployment of alternative fuels infrastructure 12 November 2013 (DRAFT).

6 HAMURG. SENAT: „Der Bundesrat berät über eine von Hamburg initiierte neue Regelung zur Förderung der Elektromobilität. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf soll es klare Regelungen zum Laden von Elektrofahrzeugen an Ladesäulen geben, damit diese Plätze nicht von anderen Pkw blockiert werden. Daneben sollen Kommunen das Recht erhalten, bestimmte Fahrzeuge von Parkgebühren zu befreien. Wenn das betroffene Bundesland die Voraussetzung geschaffen hat, können Elektrofahrzeuge und andere emissionsarme Fahrzeuge zukünftig kostenreduziert oder kostenfrei in bestimmten Städten parken. Die genaue Ausgestaltet soll durch Verordnungen geregelt werden, zu denen dem Bundesrat eine ergänzende Entschließung vorliegt. Die Idee für eine solche Regelung hatte Hamburg in den Bundesrat eingebracht.

Die Hamburger Initiative wurde während der Beratungen nach den Vorschlägen einiger Länder angepasst, so dass sich eine breite Mehrheit abzeichnet. Innensenator Michael Neumann: „Mit diesem geänderten rechtlichen Rahmen unterstützt Hamburg die Etablierung von neuer Technologie im Straßenverkehr.“ Verkehrssenator Frank Horch: „Hamburg ist eine technologiefreundliche, mobilitätsorientierte Stadt, die insbesondere bei den neuen Antriebsformen im Bereich Verkehr vorne dabei sein will. Daher ist mir die Schaffung von guten Rahmenbedingungen für die Elektromobilität besonders wichtig.“ Nach der sich abzeichnenden Mehrheit im Bundesrat würde sie dem Bundestag zugeleitet werden, der dann darüber beraten muss.