Direkt zum Inhalt | Direkt zur Navigation

Benutzerspezifische Werkzeuge

Sektionen

Sie sind hier: Startseite / Nachrichten / Neustart in die Verkehrswende

Neustart in die Verkehrswende

Verkehrsexperten, unter ihnen der BSM-Vorsitzende Thomic Ruschmeyer, empfehlen Maßnahmen für die Zeit nach der Corona-Zeit. Gemeinsam mit BEM und den Agenturen der Schaufenster Elektromobilität schlagen sie ein Reset-Programm vor aus Ladeinfrastrukturausbau, Elektrifizierung kommunaler Fahrzeugflotten, Sicherung der ÖV-Angebote, Umgestaltung des Verkehrsraums und Einrichtung von Experimentierräumen.

 

Die "Allianz für eine Mobilitätswende", die der BSM mit dem BEM und den Schaufensteragenturen eingegangen ist, engagiert sich künftig im Rahmen des Verkehrswendebüros, das am WZB eingerichtet wurde. In einem ersten gemeinsamen Papier schlagen die Verkehrsexperten erste Maßnahmen vor, mit denen Kommunen die Corona-Krise für einen Neustart nutzen können.

DIE VERKEHRSWENDE ALS CHANCE!
EIN RESET-PROGRAMM FÜR DIE KOMMUNEN

Eine Initiative des Verkehrswendebüros

Shutdown allerorten. Die Bilder der Militärlastfahrzeuge in den norditalienischen Städten hat die Dramatik der Lage auf grausame Weise verdeutlicht. Zur Bekämpfung der Covid 19-Pandemie hat auch Deutschland das öffentliche Leben runtergefahren. Betroffen ist davon ganz besonders der Verkehrssektor. Autohersteller und Zulieferindustrie, Touristikunternehmen, Airlines und Flughafenbetreiber verhandeln mit der Bundesregierung bereits über milliardenschwere Hilfsprogramme. Ziel ist die Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen, um die Branche zu retten. Die Vergangenheit wird also längst schon wieder in die Zukunft verlängert.

Die Krise trifft auch Kommunen mit großer Härte. Gewohnte Leistungen der Daseinsvorsorge im Verkehr sind gefährdet. Es droht ein Milliardenloch bei der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs. Die Taxi-, Mietwagen- und Carsharingbetreiber melden hohe Verluste, die Vielfalt der Angebote ist gefährdet.

Auf der anderen Seite erleben Bürger*innen ihr Wohnumfeld, ihre Stadt, ihre Gemeinde ganz neu. Der Rückgang des Autoverkehrs führt zu besserer Luftqualität, weniger Lärm und neuen Freiräumen. Die drastische Verkehrsreduzierung schafft Perspektiven für die Fortsetzung der Verkehrswende. Der Weg aus dem Shutdown kann dazu genutzt werden, die Kernelemente eines zukünftigen Verkehrs zu definieren, der die Beweglichkeit der Menschen wiederherstellt, Arbeitsplätze sichert, neue schafft und dies alles in einer nachhaltigen Weise.

Auswege aus der Krise
Shutdown heißt auch Routinebruch. Es gilt jetzt zu handeln – für eine tiefgreifende Modernisierung des Verkehrssystems und der Verkehrsmittel. Die Anzahl der Pkw kann reduziert und der Antrieb auf Elektromotoren umgestellt werden. Durch die Verwendung von Fahrstrom aus regenerativen Energiequellen bieten sich gute Möglichkeiten der Verbindung der Verkehrs- und Energiewende. Die Verbesserung der Luftqualität und der Lärmbelastung steigert die Lebensqualität. Den Alternativen zum privaten Autobesitz kann deutlich mehr Raum gegeben werden. Dazu braucht es mehr Platz für den Fuß- und Radverkehr und ein besseres Angebot im ÖPNV, der als integriertes Tür-zu-Tür-Angebot an jedem Ort und zu jeder Zeit auf digitalen Plattformen attraktiver wird.

Kommunen sind die Game Changer, die Pioniere der Verkehrswende. Sie können spürbare wirtschaftliche Impulse setzen und auf lokaler Ebene die Rahmenbedingungen für den Mobilitätssektor zukunftsfähig ausrichten. Sie brauchen dazu aber politische Unterstützung, finanzielle Ausstattung und erweiterte Befugnisse.

Wir schlagen ein eigenes Reset-Programm der Verkehrswende durch den Bund vor, auf das sich die Kommunen bewerben können. Ziel des Programms ist es, die bereits geplanten und begonnenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise unter den neuen Umständen zu beschleunigen und damit nachhaltig Arbeitsplätze in der Verkehrsbranche zu sichern. Das Programm soll folgende vier Handlungskonzepte haben:

Energie- und Verkehrswende in den Kommunen verbinden
Die Kommunen werden bei der Umstellung von Fuhrparks und beim Ausbau von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge auf öffentlichen und privaten Flächen unterstützt. Der Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge wird auch durch den Aufbau von Mobility-Hubs auf öffentlichen und privaten Flächen ergänzt, die idealerweise auch Solarstrom vor Ort erzeugen. Die Hubs sind multimodale Ankerpunkte für alle flexiblen und elektrifizierten Sharing- und Pool-Fahrzeuge und sollten für einen guten Umstieg direkt an wichtigen Haltestellen des ÖV liegen. Zur beschleunigten Umsetzung werden ebenso Planung, Errichtung und Betrieb standardisiert.

Bestandssicherung und Erneuerung des Öffentlichen Verkehrs (ÖV)
Der ÖV ist durch den Einbruch der Fahrgastzahlen und den drastischen Rückgang der Ticketeinnahmen als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge existenziell bedroht. Zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Bevölkerung mit öffentlichem Verkehrsangeboten soll ein Schutzschirm aufgespannt werden, der die ÖV-Unternehmen strukturell und finanziell absichert. Gleichzeitig müssen die Kommunen bei Programmen unterstützt werden, um die ÖV-Angebote qualitativ weiter zu entwickeln. Hierzu sollen auch digitale Plattformangebote, die den öffentlichen Verkehr um ein Tür-zu-Tür-Bedienelement erweitern und vom Aufgabenträger koordiniert werden, Betriebszuschüsse erhalten.

Neugestaltung des öffentlichen Verkehrsraums
Viele Kommunen sind bereits dabei, die innerstädtischen Verkehrsflächen neu aufzuteilen. Gemeinden, die privaten Fahrzeugen öffentliche Flächen entziehen und diese für den Fußgänger- und Fahrradverkehr sowie für Aufenthaltsräume verfügbar machen, sollen durch Prämienzahlungen finanzielle Unterstützungen erhalten. Bestehende Pläne für Radschnellwege müssen sowohl finanziell – vor allem mit der Übernahme kommunaler Eigenanteile – abgesichert als auch in der Ausführung beschleunigt werden. Instrumente dafür sind ein Sicherungsfonds und eine zentrale Anlaufstelle für Hilfen bei Ausschreibungsverfahren und Bauüberwachung.

Errichtung von regulatorischen Experimentierräumen
Kommunen können einen Experimentierraum beantragen, der unter Maßgabe eines definierten Zweckes, der Beteiligung der Anwohner*innen sowie einer konstitutiven Evaluation rechtssicher ermöglicht wird. Ziel ist es, durch die Nutzung von Experimentierklauseln und Ausnahmebestimmungen die Ergebnisse von vielen Projekten und Laborvorhaben endlich umzusetzen und die Verwaltungsvorgänge zu beschleunigen und innovationshemmende Regeln insbesondere in der Baunutzungsverordnung, in der Straßenverkehrsordnung sowie im Personenbeförderungsgesetz temporär und räumlich begrenzt außer Kraft zu setzen.

Mit dieser Kombination aus finanziellen Absicherungen, Planungsunterstützung und neuen Gestaltungsräumen können die Kommunen die Krise als Chance für eine nachhaltige Verkehrslandschaft nutzen. Hierbei gilt es, bereits gemachte Erfahrungen und Ergebnisse vergangener Projekte zügig umzusetzen und auch in experimenteller Weise auszuprobieren.

Prof. Dr. Andreas Knie Leiter Verkehrswendebüro am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung

Für den Beirat:
Raimund Nowak Geschäftsführer Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg
Kurt Sigl Präsident Bundesverband eMobilität
Thomic Ruschmeyer Vorsitzender Bundesverband Solare Mobilität
Dr. Wolfgang Fischer Leiter Projekt- und Clusteraktivitäten Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive Baden-Württemberg
Gernot Lobenberg Leiter Berliner Agentur für Elektromobilität eMO
Peter Lindlahr Geschäftsführer HySolutions GmbH, Innovative Antriebe für Hamburg
Hermann Horster Vizepräsident DGNB Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen

Kontakt: Andreas Knie | verkehrswendebuero@wzb.eu

Das Verkehrswendebüro ist eine Initiative einer Allianz aus Verbänden und Einrichtungen, die in den vergangenen Jahren großräumige Schaufensterprojekte und Modellvorhaben verantwortet haben und die sich mit der Wissenschaft für die Verkehrswende engagieren. Das Verkehrswendebüro hat seinen Sitz bei der Forschungsgruppe Digitale Mobilität am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und wird in seiner Projektarbeit unter anderem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.

Pressemitteilung als PDF