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Entspannte Mobilität demonstriert

Eine beeindruckende Zahl von eSkatern und Monowheelern war dem Aufruf von Lars Zemke gefolgt. Der Berliner hat über die Internet-Plattform "electricempire.de" zu einer Demonstration für die Legalisierung von Mikromobilität eingeladen. Fast 200 elektrisch angetriebene Bretter mit und ohne Lenkstange, Hoverboards und Einradfahrer fuhren vom Verkehrsministerium zur Siegessäule. Für alle Teilnehmer ein einmaliges Erlebnis, denn bis auf Weiteres ist ihnen der öffentliche Straßenraum verwehrt. Einige Fußgänger protestierten. Sie befürchten wohl nicht mehr sicher zum Auto zu kommen.

Text+Fotos M. Breust

Im "Electric Empire" herrscht große Freude über den Erfolg. Aus ganz Deutschland waren Mikromobilisten nach Berlin gekommen, um ihre Haltung zur geplanten Elektrokleinstfahrzeugverordnung zu bekunden. Die eSkater-Plattform wird u.a. administriert vom Berliner Lars Zemke, der auf diesem Weg zu der Demonstration eingeladen und die wesentlichen organisatorischen Vorbereitungen erledigt hatte. Wir waren als BSM quasi Trittbrettfahrer, um das Phänomen etwas versierter beurteilen zu können. Auch diese Form der Elektromobilität kann für sich in Anspruch nehmen, zur Dekarbonisierung des Verkehrs beizutragen. Vielleicht kann man nicht alle use cases damit abdecken, aber effizienter als ein Brett mit Rädern drunter ist ein Fahrzeug kaum denkbar.

Buntes Treiben auf dem Invalidenplatz
Die Fahrt unter Polizeischutz durch Mitte war ein großer Spaß für alle, die sonst diskret den Ordnungskräften aus dem Weg fahren. Aber auch wir älteren Gäste genossen die Runde auf eKickboards, insbesondere nachdem wir den Sportmodus entdeckt hatten. Einige fette Skateboards waren sogar gelände-gängig, und die "Steckdose"-Monowheeler vom Tempelhofer Feld führten artistische Tänze auf. Ein Aufwärmen war durchaus angebracht, die Temperaturen um den Gefriepunkt sind nicht das ideale Wetter, wobei ohne Lenkstange können die Hände in den Taschen warm bleiben.

Um die 150 Mikromobile zeigten den zahlreichen Passanten, wie gut diese Form der Mobilität in die Stadt passt. Vielen Passanten mag nicht einmal klar geworden sein, dass diese Fahrzeuge alle nicht auf der Straße fahren dürften und es sich um eine Ausnahme im Rahmen einer politischen Demonstration handelte.

Das Verkehrsministerium hatte den Aktivisten, die für eine Legalisierung kleinster elektrischer Fahrzeuge eintreten, einen Termin im Haus ermöglicht. Dort konnten sie mit den zuständigen Sachbearbeitern klären, wie die eKFV in der bisher bekannten Form zustande kam und weshalb eSkateboards und Monowheels nicht darunter fallen. Aus Sicht des Mnisteriums liegt der Fall recht einfach. Das Gutachten des Bundesamts für Straßenverkehr (BASt) konnte einen sicheren Betrieb dieser Geräte nicht feststellen. Die Mikromobilisten wiesen darauf hin, dass Fahrzeuge ohne Lenkstange vom BASt nicht ausreichend getestet wurden, weil sie schlicht niemand richtig fahren konnte. Im BMVI sprach Unterabteilungsleiter Ludger Molitor ein Schlusswort, dass man durchaus Verbände und Kommunen anhöre, nicht aber Unternehmen. Außer egret (Florian Wahlberg) und Lime, die sich offensiv um eine Zulassung ihrer Produkte bemüht haben. Aktuell scheinen auch die Automobilkonzerne ihren Teil beizutragen, denn Audi, Daimler und Co. wollen eScooter im Kofferraum ihrer Fahrzeuge unterbringen - für die "letzte Meile" zwischen Auto und endgültigem Reiseziel.

eKFV kommt im Frühjahr 2019 incl. Ausnahmeregel
Die zwei genannten Sachbearbeiter sind noch damit beschäftigt, die zahlreichen Eingaben zu prüfen und einzuarbeiten, die nach Veröffentlichung des Referenten-Entwurfs eingegangen sind. Das Inkrafttreten der Verordnung wird daher erst für das Frühjahr erwartet. Dann gibt es vielleicht ein dickes Extra. Die "Mikromobile" - so einstweilen die offizielle Bezeichnung -, also eSkateboards, Hoverboards, Monowheels u.ä. werden per Ausnahmeregel für den Verkehr zugelassen mit 12 - 20 km/h auf dem Radweg oder, falls ein solcher nicht vorhanden ist, auf dem Gehweg zu fahren.

Mit dieser Ankündigung hatte der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer für erheblichen Wirbel gesorgt. Der ADFC verteidigte sein Terrain gleich mit dem Argument, motorisiertes Fahren mache krank und gehöre nicht auf den Radweg. Vor allem aber knapp zwanzig Rentner und Sehbehinderte unter der Führung des Fuss eV-Präsidenten Roland Stimpel waren zur Gegendemo erschienen. Sie wollen sich "nicht plattmachen lassen." Dabei wartete der wahre Feind rings um uns herum in den Seitenstraße darauf die Straße wieder einzunehmen. Man fragt sich wer eigentlich wen platt gemacht hat, und wann das gewesen sein mag. Ein holländischer Skater hielt die Schwimmnudeln denn auch für einen Witz.

Der Elefant im Raum ist derselbe wie schon beim Fahrverbot. Ohne Autos wären die meisten Menschen glücklicher, die eSkater ebenso wie die Sehbehinderten.

Die eSkater haben den Schulterschluss mit den Fußgängern gesucht; immerhin waren sie ja auf der Straße unterwegs und keine Schwimmnudel-Interventionen verdient hatten. Die Mikromobilisten zeigten eine Entspanntheit, die den Vertretern altgedienter Verkehrsträger verloren gegangen ist. Vielleicht gelingt es aus all diesen Aktivisten diejenigen zu sammeln, für die "reclaim the streets" auch zwischen den Bürgersteigen gilt.

(Bessere Bilder sind unterwegs!)