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Warum denn kein Fahrverbot [Dieselgipfel III]

Die Dieselgipfel haben bisher nicht die erwartete Wende, sondern vor allem das Elektroauto in die Schlagzeilen und den Wahlkampf gebracht. Das ist schon das beste Ergebnis dieser Treffen von Vertretern der Kommunen und der Automobilbranche mit der Bundesregierung. Auch der letzte Gipfel brachte wenig Greifbares, so dass der Tag immer näher rückt, an dem Innenstädte für Diesel-Kfz gesperrt werden.

 

Am 22. Februar 2018 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Leipig darüber, ob Kommunen zur Einhaltung von Emissionsgrenzwerten betroffenen Straßen für Dieselfahrzeuge sperren müssen, wenn sie sonst keine wirksamen Maßnahmen vorweisen können. Die Deutsche Umwelhilfe (DUH) hat diese Verfahren betrieben. Vor dem BVerwG werden die Rechtsmittel verhandelt, die Stuttgart, Düsseldorf und München gegen OVG-Entscheidungen eingelegt haben. Bei den Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel geht es darum, wie diese Fahrverbote verhindert werden könnten.

Die Kommunen würden den öffentlichen Verkehr, der erheblich zur THG-Belastung beiträgt, auf elektrischen Antrieb umstellen, auch weil dies in eigener Kompetenz erfolgen könnte. Aber selbst wenn das etwa durch die in Aussicht gestellten Mittel finanzierbar wäre, fehlten immer noch geeignete Fahrzeuge aus deutscher Herstellung. Bürgermeister wie Berlins Michael Müller beklagten diesen Mangel. Busse müssten z.Z. in Polen oder China bestellt werden. Der BSM empfiehlt nebenbei, über eine Umrüstung nachzudenken z.B. durch ISEE oder eCap mobility, oder die Busse mit einer Hinterachse von Ziehl-Abegg auszurüsten. Das einzige im Betrieb befindliche elektrische Taxi stammt von André Laukner (e-pochè.de).

Der dritte Dieselgipfel brachte zunächst mal einen Kassensturz. Die versprochene Milliarde ist noch nicht im "Mobilitätsfond" angekommen, auch weil die Regierung nur kommissarisch amtiert und verminderte Haushalts-Befugnisse hat. Aber nicht nur die Herkunft der 750 Mill. € des Bundes ist unsicher. Der Anteil der Automobilbranche ist nicht komplett, weil die ausändischen Konzerne die Zahlung bislang verweigern. Auch bei den Software-Aktualisierungen hinken sie hinterher, wobei deren Wirkung ohnehin strittig ist. Umrüstungen jedenfalls wollen die OEMs nicht vornehmen, lieber riskieren sie Rücknahme oder Umtausch der Fahrzeuge von besonders motivierten Kunden.

Die Maßnahmen der betroffenen Städte beschränken sich auf optimierte Ampelschaltung, sprich Grüne Welle am Neckartor. Da eine blaue Plakette zur Kennzeichnung "sauberer" Diesel nicht eingeführt wurde, wäre eine Sortierung unmöglich. Die Förderung von Radverkehr erfordert längere Planungen, wie sich aktuell in Berlin trotz etwas gutem Willen der Verantwortlichen zeigt.

Warum eigentlich kein Fahrverbot?
Die Automobilkonzerne wollen Fahrverbote mit aller Macht verhindern. Nicht nur fürchten sie den Rückgang der Verkaufszahlen und die schlechte Presse. Fahrverbote könnten zeigen, was alle Feldversuche nicht vermögen: Eine Stadt ohne Autos ist nicht nur möglich, sondern erstrebenswert. Wenn einige Straßen in Stuttgart und Düsseldorf ein paar Tage vollständig für alle Kfz gesperrt bleiben, denken sich ihre vom Dunst befreiten Bewohner ganz neue Nutzungsarten aus. Die Düsseldorfer haben sich ihre Rheinuferpromenade schon in den 90ern zurückerobert, die Frankfurter haben gerade damit begonnen. Sehr eindrucksvoll ist die Umgestaltung in Paris, wo das Leben an die Seine zurückkehrt, wo jahrzehntelang das Auto herrschte. Ähnlich haben Madrid, Oslo und Thessaloniki Platz am Wasser geschaffen, auch in Rom und Moskau richten autofreie Zonen ein.

Es scheint also keineswegs ausgemachte Sache, dass die betroffenen Städte die Fahrverbote unter allen Umständen vermeiden wollen.

Von nun an geht's bergab [Dieselgipfel I]

Das Fehlen neutraler, unabhängiger Experten erklärt vielleicht die eher dürftigen Zugeständnisse, die der Industrie abgerungen werden konnten. Außer dem VDA waren keine Fachverbände eingeladen. Umso erfreulicher ist, dass die Veranstaltung in der Öffentlichkeit nicht als Rettung der Nation, sondern allein der heimischen Kfz-Branche wahrgenommen wurde.

Obwohl die Manager der OEMs sich etwas Luft verschafft haben mit den getroffenen Verpflichtungen, sehen sie doch schweren Zeiten entgegen. Die Änderungen an der Software der betroffenen Pkws werden voraussichtlich nur kosmetische Wirkung enfalten. Die Kunden kehren dem Diesel den Rücken, sogar über ein Verbot von Verbrennern wie in anderen Staaten wird diskutiert. Mit dem SPD-Vorschlag einer Quote für Elektroautos wurde die Angelegenheit endgültig zum Wahlkampfthema.

Ergänzung September 2017 [Dieselgipfel II]

Der Nachklapp zur Vermeidung von Fahrverboten Anfang September verlief ähnlich harmlos. Zwar werden die OEMs zur Zahlung in einen 'Mobilitätsfond' verpflichtet, und der Bund will weiteres Geld beisteuern. Diese Milliarde soll zur Verbesserung der Luft in Innenstädten verwendet werden. Für die vom VDA befürchtete Anschaffung ausländischer E-Busse wäre der Betrag immer noch etwas klein. Aber die  Kommunen werden eine "Verbesserung des Verkehrsflusses" nicht durch grüne Welle auf breiteren Straßen und "Minderung des Parksuchverkehrs" nicht durch mehr Parkraum erreichen.