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Weniger Autos, kurze Wege | UBA-Forum 'Stadt für Morgen'

Sei einigen Monaten müssen zahlreiche Kommunen wegen der Feinstaubbelastung über Fahrverbote und andere drastische Maßnahmen nachdenken, um die Luft ihrer Innenstädte etwas sauberer zu machen. Umstände wie diese könnten eine Entwicklung zu lebenswerteren Städte befördern, wie sie beim UBA-Forum am 30./31.3. beschrieben wurden. Die "Stadt für Morgen" soll umweltschonend mobil, lärmarm, grün, kompakt und durchmischt sein. All diese Attribute hat das UBA mit Handlungsempfehlungen unterlegt.

Menschliche Städte
Der dänische Architekt Jan Gehl gehört zu den prominentesten Verfechtern menschenfreundlicher Städte. Viele Projekte weltweit hat er beraten, Autos vom New Yorker Times Square und Moskauer Gehwegen verbannt, und das Erscheinungsbild des heutigen Kopenhagen geht auf seine Arbeit zurück. "Making Cities for People" lautet sein zentrales Credo: Erst habe der Modernismus in der Architektur mit seiner Konzentration auf ansehnliche, eindrucksvolle und funktionsgetriebene Gebäude die öffentlichen Plätze dazwischen vernachlässigt. Dann kam der "Motorismus", mit dem Autos erst Besitz ergriffen von den (ehemals Fuß- und Reit-)Wegen, danach auch vom Rest des öffentlichen Raums.

Das "Reservat" Gehweg wird heute von Autostraßen unterbrochen. Gehl hat in Kopenhagen die Bürgersteige über Einmündungen weitergeführt, so dass die Autos sie überqueren müssen. Sein Vortrag am Beginn des zweiten Kongresstages enthielt noch viele erhellende Beispiele, die von den Zuhörern sicher häufig zitiert werden.

Podium zum Abschluss: Dr. J. Damasky (VDA), R. Werner (Uber Dtld.), .
M. Krautzberger (UBA), Prof. Dr. St. Rammler (HDK Braunschweig) .
und Ch. Hochfeld (Agora Verkehrswende) (v.l./Fotos BSM/mb) .

Weniger Autos fahren alle 30
Zum Kongress "Die Stadt für Morgen" hat das Umweltbundesamt (UBA) eine begleitende Studie erstellt, in der eine Vielzahl von Zusammenhängen zu Handlungsempfehlungen mit zeitlich abgestufter Priorisierung verdichtet werden. Darin empfiehlt das UBA u.a., die verfügbaren Pkw auf 150 je 1.000 Einwohner zu reduzieren. Bislang liegt der Durchschnitt in deutschen Großstädten bei 450 Pkw, im gesamten Bundesgebiet sogar noch weit höher. Spitzenreiter ist München mit 485, während Berlin mit 350 fast am Ende der Tabelle rangiert. Zum internationalen Vergleich hat das UBA noch London, Wien und Zürich aufgeführt, wo um die 300 Pkw je 1000 P. unterwegs sind.

Eine Reduzierung der Automenge hätte zur Folge, dass weniger Raum für das Abstellen notwendig ist, der frei wäre für menschenfreundlichere Nutzungen. Auch könnten Pkw-Fahrspuren ersetzt werden durch Fahrradwege, Spielplätze, Sport- oder Grünanlagen etc.

links: Schaubild des UBA zu den Effekten einer Pkw-Reduzierung

Bunter Strauß an Maßnahmen
Im Umweltzentrum in der Berliner Friedensstraße trafen sich vor allem Experten, die sich an verschiedenen Stellen für eine nachhaltige Entwicklung engagieren. Viele fahrradfreundliche Städte wie Münster, Karlsruhe oder Freiburg waren vertreten, regionale und nationale Regierungen, aber auch international tätige Organisationen. Bei vielen dürften die zahlreichen Anliegen des UBA gut aufgehoben sein. Für die Umsetzung bedarf es noch weiterer Hinweise, das wurde aus den Rückfragen auch an Jan Gehl schnell klar.

Die Ergebnisse der Studie wurden in zwei Workshop-Sessions diskutiert. Am ersten Tag war die Sortierung thematisch und orientierte sich an den Kapiteln der Studie. Bei der Aufteilung nach Organisationsform - Behörden / Wissenschaft / Unternehmen etc. - waren die Teilnehmer stärker eingebunden.

Die "Kommunen" erörterten die Machbarkeit vor allem jedweder Beschränkungen des Auto-Verkehrs. Die Dringlichkeit mag angesichts der laufenden Prozesse zur Einhaltung von Feinstaub- und NOx-Grenzwerten zwar manifest sein. Trotzdem verweisen viele Kommunalpolitiker auf die vielfältigen Widerstände gegen Beschränkungen des MIV. Deshalb sind die Städte aufgerufen, die Ergebnisse ihrer Bemühungen möglichst breit und wirksam zu präsentieren. Auch hier dient Kopenhagen als Beispiel, wo Jan Gehl von Anbeginn Wert legte auf regelmäßige Dokumentation aller Maßnahmen, eine sehr demokratische Form der Bürgerbeteiligung.

Mobilität ist weiterhin zu einfach und zu billig
Das Idealbild des UBA ist eine Stadt der kurzen Wege. Wenn die Nutzungsformen durchmischt sind, also Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Freizeigestaltung, Sport etc. nicht voneinander getrennt werden, verringern sich auch die notwendigen Wegstrecken. Das bisherige Konzept mit Gewerbegebieten auf der grünen Wiese und reinen Wohngebieten ist wenig nachhaltig. Auch wenn immer mehr Menschen in die Stadt ziehen, bleibt es weiterhin attraktiv, im Speckgürtel zu wohnen und zu pendeln, wie sich aktuell in wachsenden Städten wie etwa Leipzig zeigt.

Dekarbonisierung - und Deskalation
Der erste Tag endete mit einem Podium, auf dem u.a. die rbb-Moderatorin Bettina Rust von ihren Erfahrungen mit städtischer Mobilität berichtete. Ihr launiges Bonmot, sie habe immer zwei Feinde, egal ob sie zu Fuß geht oder Rad oder Auto fährt - die jeweils anderen beiden Gruppen-, markierte einen wichtigen Aspekt. Die Lebensqualität wäre erheblich größer, wenn alle Verkehrsteilnehmer den verfügbaren Raum bereitwilliger teilten. Damit würde es für alle komfortabler, erholsamer und sicherer.

Umweltministerin Dr. Barbara Hendricks .

Bei der abschließenden Runde (Foto ganz oben) durfte jeder im Panel einen Wunsch äußern. Dr. Damasky vom VDA wünschte sich Verbesserungen für E-Busse, Prof. Rammler einen Wettbewerb um Lebensqualität und Christian Hochfeld eine entschiedenere Bekämpfung der Emissionen von Dieselfahrzeugen. Braucht es dafür Magie? Oder ist das nicht vielmehr menschenmöglich?