Direkt zum Inhalt | Direkt zur Navigation

Benutzerspezifische Werkzeuge

Sektionen

Sie sind hier: Startseite / Nachrichten / Wie mobil wird neue Regierung

Wie mobil wird neue Regierung

Bei der Neuauflage der Großen Koalition werden viele Linien der Politik fortgeführt, die schon in der vergangenen Legislaturperiode angelegt waren. Noch steht alles unter dem Vorbehalt der Zustimmung der SPD-Mitglieder. Sollte es zur GroKo II kommen, erwartet uns im Bereich Mobilität wenig Neues.

 

Thomic Ruschmeyer, Vorsitzender des BSM, hatte Schlimmeres erwartet: "Laut Sondierungspapier sollte offenbar der Verbrenner wieder sauber werden. Da liest sich der Koalitionsvertrag schon besser." Die Vereinbarungen von CDU und SPD beschäftigen sich recht eingehend mit den Themen Energie, Umweltschutz und Verkehr und benennt auch die Wechselbeziehungen zwischen diesen Bereichen ausdrücklich an mehreren Stellen."Warten wir ab, was letztendlich umgesetzt wird. Der Koalitionsvertrag von 2013 klang ja ganz ähnlich," bleibt Ruschmeyer skeptisch.

Die Gremien
Der BSM hofft vor allem, dass sich eine interdisziplinäre Sicht auch in der Zusammenarbeit der Ressorts niederschlägt und umweltfreundliche Mobilität tatsächlich gefördert wird. Besonders gespannt sind wir auf die angekündigte Strategie-Kommission "Zukunft der bezahlbaren und nachhaltigen Mobilität“. Daneben soll offenbar die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) weiterbestehen als Plattform „Zukunft der Mobilität“ und sich mit der "Weiterentwicklung" der Automobilindustrie beschäftigen.

Man darf daran erinnern, dass  "Schaufenster"-Prozess von einer "Gemeinsamen Geschäftsstelle" der Ministerien (GGEMO) koordiniert wurde. Aber deren Einfluss war gering, auch weil deren Ressourcen und Kompetenzen unzureichend waren. Mit der Eingliederung in die NOW (Nationale Organisation zur Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) wurde das Thema Elektromobilität eigentlich weiter marginalisiert.

Der Vertrag
Aufmerksam fahnden wir also im Koalitionsvertrag nach Festlegungen, die uns Hoffnung machen auf eine sinnvolle Strategie Richtung nachhaltige Mobilität. Und tatsächlich es gibt "Rosinen" im GroKo-Kuchen:

Der Vertrag hat 14 Kapitel, das sechste ist die "Wirtschaft". Dort unter "Energie" findet sich die Ankündigung, dass die "Energiewende zum Treiber für Energieeffizienz, Modernisierung, Innovationen und Digitalisierung im [...] Verkehrssektor wird", solange dies bezahlbar bleibt. Auch die Sektorenkoppelung ("Wärme, Mobilität und Elektrizität in Verbindung mit Speichertechnologien") soll vorangebracht werden wie überhaupt der gesamte Energiebereich einer "Efficiency First"-Strategie unterzogen wird.

Der Bereich "Verkehr" wird mit Investitionen auf "Rekordniveau" ausgestattet, die Unterüberschrift "Mobilität und Umwelt" soll wohl den Weg weisen. Zu den vordringlichen Maßnahmen scheint neben "effizienteren und sauberen Verbrennungsmotoren" auch die Verbesserung des Fahrzeugbestands zu gehören, sprich Nachrüstung von Filtertechnik oder Abschalten der Abschaltvorrichtungen. Ob die Umrüstung auf elektrischen Antrieb auch gefördert wird...?

Dann wird es konkret:

  • Umstieg der Fahrzeugparks von Behörden, Taxiunternehmen, Handwerksbetrieben sowie des ÖPNV auf emissionsarme bzw. -freie Antriebstechnologien durch Aufwertung der Förderprogramme
  • Verlagerung der Pendlerverkehre auf die Schiene (u. a. Park+Ride)
  • Ermächtigung der Länder, Städte und Kommunen zu Vorgaben und Emissionsgrenzwerten für gewerbliche Verkehre
  • Erhöhung der bestehenden Kaufprämie für Taxen und leichte Nutzfahrzeuge
  • Ausbau der Ladeinfrastruktur um zusätzlich 100.000 Ladestationen
  • Förderung privater Ladepunkte
  • Reduzierung der Dienstwagenbesteuerung auf 0,5% des Listenpreises
  • Sonder-AfA für gewerblich genutzte E-Fahrzeuge

Das ist eine brauchbare Liste von Maßnahmen, besonders weil der gewerbliche Einsatz elektrischer Fahrzeuge gefördert wird. Wenn jetzt noch die Plug-in-Hybriden aus dem Geltungsbereich ausgenommen werden, träfe es auch die Richtigen.

Die Lücken
Es fehlt in diesem Katalog weiterhin eine CO2-Steuer, nach Meinung vieler Experten das einfachste und wirksamste Mittel zur Reduktion der THG-Emissionen. Mit den Absichtserklärungen auch zur Dezentralisierung der Energieversorgung und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien wird man nicht weit kommen. BSM-Vorstand Thomic Ruschmeyer ist darüber enttäuscht:"Die Herausforderungen einer Sektorenkoppelung, etwa eine Netzintegration elektrischer Fahrzeuge werden nicht benannt."

Die GroKo setzt Mobilität mit "Auto" gleich. Für den Individualverkehr ohne Auto bleiben die Kommunen oder die Bürger selbst zuständig. Zweiradverkehr und Intermodalität müssen es ohne Unterstützung schaffen.

Der Umweltschutz
Schon im Sondierungsergebnis sollte "die Mobilitätspolitik dem Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet." bleiben. Aber wann und vor allem wie man "die Klimaziele von Paris erreichen" will, bleibt weiter offen bzw. Aufgabe der Strategie-Kommission. Ob die Automobilindustrie nun bei ihren Produkten die EU-weiten Regelungen einhalten soll oder die GroKo in deren Interesse die Regeln weiter aufweichen wird? Wird das "Nationale Forum Diesel" mit seinen "stetigen" Mitteln am Ende nicht die Anschaffung elektrischer Busse, sondern das Absaugen von Abgasen und die Entwicklung künstlicher Kraftstoffe finanzieren?

Die Minister
In den mit Mobilität befassten Ministerien bleibt uns - voraussichtlich (!) - Umweltministerin Dr. Barbara Hendricks erhalten. Peter Altmaier (CDU) war schon mal Umweltminister und unterhält Kontakte in die Zivilgesellschaft und Umweltverbände. Er wird als Wirtschaftsminister auch für Energie zuständig sein. Gegenüber einem Genossen aus Niedersachsen, der vor allem VW-Interessen berücksichtigt, ist Altmaier vielleicht ein Gewinn. Der designierte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) saß im Bundestags-Verkehrsausschuss und kennt das Haus aus seiner Zeit als Parlamentarischer Staatssekretär. In der Vergangenheit ist Scheuer vor allem durch Führen eines strittigen Doktor-Titels, den "fußballspielenden Senegalesen" und Handynutzung am Steuer aufgefallen.

Für eine Mobilitätswende jedenfalls wäre politisches Handeln gefragt. Nach den bisherigen Festlegungen jedenfalls ist von dieser GroKo nicht allzu viel zu erwarten.