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Studie zum Infrastruktur-Bedarf offenbart Lücken | 'Laden2020'

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Deutsche Luft- und Raumfahrtgesellschaft (DLR) haben für das Wirtschaftsministerium (BMWi) die Grundlagen herausgearbeitet für den weiteren Ausbau öffentlicher Ladeinfrastruktur. Viele Erkenntnisse der umfangreichen Studie klingen zwar wenig bahnbrechend. Aber die quantitativen Feststellungen über den zu erwartenden Bedarf dürften maßgeblich sein für die nächsten Jahre.

 

Die Studie 'Laden2020' kommt zu dem Ergebnis, dass "für eine Million Elektrofahrzeuge in Deutschland im Jahr 2020 circa 33.000 öffentliche- und halböffentliche Ladepunkte für den Alltagsverkehr, sowie circa 2.600 öffentliche Ladepunkte für den Fernverkehr" notwendig sind. Sinnvoll seien "je nach Ausgestaltung der Normalladeinfrastruktur und angestrebter Versorgungssicherheit zusätzlich bis zu etwa 4.000 Schnellladepunkte." Diese Werte weichen von Prognosen ab, die bisher herangezogen wurden. Die NPE bezifferte den Bedarf im Sommer 2016 auf knapp 80.000 öffentliche Ladepunkte (Wegweiser Elektromobilität), andere Experten kamen zuvor auf Zahlen über 100.000.

"Diese aktuelle Betrachtung ist wertvoll für die weitere Planung des Infrastrukturausbaus,", lobt Thomic Ruschmeyer. Im Detail vermisst er allerdings den Bezug zur Wirklichkeit. Die Studie setzt als Standard voraus, dass BEVs schnellladefähig sind. "Mehr als 3,7 kWh gibt es im Moment nur gegen Aufpreis. Auch der angenommene durchschnittliche Verbrauch von 12,5 kWh auf 100 km ist in der Praxis nicht zu schaffen,", meint Ruschmeyer.

Interessante Simulationen
Es gibt auch spannende Teile in 'Laden2020'. Die Studie, die den Start der Ladeinfrastruktur-Förderung flankiert, arbeitet mit detaillierten Szenarien, die  die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Ladeleistung, Ladedauer, Fahrzeug-Reichweite, Einsatzgebiete, Standort u.a. darstellen können. Mit interessanten Ergebnissen: In Wohngebieten sind Ladepunkte wenig effizient, weil sie meistens erheblich länger zugeparkt sind als das Laden dauert. Demgegenüber sollte an Fernstraßen ein großes Angebot an Schnell-Lademöglichkeiten aufgebaut werden, weil dort die Wartezeiten nicht hingenommen würden.

Womit keiner rechnet
Nicht immer hilft der etwas mechanische Ansatz der Autoren weiter. Der Studie mangelt es gelegentlich an Phantasie,die sich bei Befragung von erfahrenen Nutzern vielleicht eingestellt hätte. Ein steigende Reichweite verringert z.B. den Bedarf an öffentlichen Ladepunkten, wie 'Laden 2020' konstatiert, nur mathematisch. "Tatsächlich" so merkt Ruschmeyer an, "fahren die meisten Menschen mit ihrem Tesla viel mehr und vor allem weiter als bisher, egal welchen Antrieb der letzte Wagen hatte."

Die Entscheidung, das elektrische Fahrzeug zu nehmen statt Flugzeug oder Bahn, hänge neben der Reichweite ganz entscheidend von der Infrastruktur ab. "Warum fahren Teslas denn zum Nordkap oder nach Gibraltar?" ergänzt Ruschmeyer, "weil es Spaß macht - und weil es dank Teslas Supercharger funktioniert." - Auch bei dem Produkt "Autobahn" hat sich gezeigt, dass das Angebot die Nachfrage regelt. Wo gestern zwei Spuren voll waren, sind es heute drei. Und ohne irgendwelche Änderungen der Umstände wie Wetter, Arbeitsplätze oder welche Gründe auch sonst für das Auto sprechen mögen: morgen würden auch vier Autobahn-Spuren voll sein.

Annahmen nicht mehr aktuell
'Laden2020' basiert in Teilen auf "Mobilität in Deutschland", einer umfassenden Analyse noch aus dem Jahr 2008. Außerdem gingen die Autoren davon aus, dass das elektrische Fahrzeug ebenso genutzt wird wie das Verbrenner-Modell. Diese Annahmen sind zwar verständlich, aber wenig realistisch. Die Diskussion um Schummel-Software und Feinstaubbelastung z.B. wird zu massiven Änderungen in den Nutzungsprofilen von Pkw führen, und sei es nur, dass immer mehr Bewohner von Städten vollständig auf ein eigenes Auo verzichten statt ein neues, vorgeblich 'sauberes' zu erwerben. Ohne allgegenwärtige Ladeinfrastruktur in Wohnvierteln werden dort kaum Interessenten für elektrische Fahrzeuge zu gewinnen sein.

Wieviel öffentliche Ladestationen wirklich notwendig werden in den nächsten Jahren, lässt sich kaum vorhersagen. Ob der Zuwachs an Ladepunkten den Absatz der E-Fahrzeuge verbessert, ist laut Ruschmeyer offen: "Die Henne-Ei-Diskussion ist nicht entschieden. Es gilt beides zu fördern - Infrastruktur und Fahrzeuge. Strom gibt es jedenfalls schon jetzt fast überall, während Benzin nur an ausgewählten Plätzen erhältlich ist, zu denen man erst fahren muss. Trotzdem wird allein die Außenwirkung vermehrter Ladepunkte das Vertrauen in die Elektromobilität stärken. Und für uns E-Mobilisten ist es natürlich prima!"