Gemischte Aussichten bei Schaufenster-Konferenz
Kommentar und Fotos von Matthias Breust
Die Zukunft vorauszusehen ist ein schwieriges Geschäft. Bei Daimler zeichnet Alexander Wankowsky dafür verantwortlich, der die angereisten Experten sehr beeindruckt hat mit seinen Ausflügen in die Neurologie. Ohne eine Sichtbarkeit der Infrastruktur einschließlich von Hinweiszeichen würde bei der Bevölkerung die Befürchtung bleiben, man könne im elektrischen Auto hilflos mit leerer Batterie stranden.
Die 22 Handlungsempfehlungen, die die Begleitforschung aus den Projekt-Ergebnissen hergeleitet hat, durften von den Konferenzbesuchern beurteilt und priorisiert werden. Dr. Bertram Harendt vom Dialoginstitut präsentierte dabei bemerkenswerte Favoriten.
links: Der Braunschweiger Solaris-Bus aus dem emil-Projekt
Was bleibt zu tun?
Während "größere Reichweite" und "mehr Modell-Auswahl" durchaus nachvollziehbare Wünsche von Kunden und Nutzern sind, dürfte "mehr elektrische Busse" schon eine überraschende Forderung darstellen angesichts der vielen Schwierigkeiten, die bei der Einführung dieser Technologie publiziert werden.
Die Expertise der Teilnehmer - und ein wenig die Überzeugungskraft des Daimler-Forschers Mankowsky - mögen der "Notwendigkeit nutzerfreundlichen ad-hoc-Ladens" zum Spitzenplatz verholfen haben. Auf Platz 4 landete: Der Staat sollte den Aufbau einer bedarfsgerechten, öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur gezielt fördern und unterstützen.
Keine Mehrheit für saubere Technik
Auch die umstrittensten Sätze, die etwa je zur Hälfte abgelehnt oder unterstützt wurden, ließen auf die unterschiedlichen Perspektiven des Publikums schließen. Weder die "Verteuerung des Verbrennerfahrens durch Beteiligung an den Umweltkosten" noch die "Konzentration der OEMs auf vollelektrische statt hybride Fahrzeuge" errangen eine große Mehrheit. Das Beharrungsvermögen bleibt selbst im Schaufenster Elektromobilität ziemlich groß.
links: Eine B-Klasse und ein - Nissan Leaf in Diensten der Polizei.
rechts: Lieferfahrzeug von BSM-Mitglied German E-Cars
Regen, Sonne, Wind. Das Wetter war dem April angemessen wechselhaft. Je nach Standpunkt konnte man also "rosige Zeiten" oder "schwarze Löcher" erwarten. Die viel diskutierte Einführung einer Kaufprämie hat die Stimmung bereits bei der eMo-Hauptstadtkonferenz gebremst und bestimmte auch die Atmosphäre bei dieser Präsentation der Schaufenster-Ergebnisse. Obwohl alle Anwesenden mehr oder weniger überzeugt sind, dass künftiger Individualverkehr vor allem elektrisch sein wird, und die Schaufenster-Projekte diese Entwicklung in vielen Variationen illustrieren, fehlte der Konferenz der rechte Schwung. Und in der Halle nebenan tagten obendrein die Anästhesisten.
Wenn es tatsächlich eine gesellschaftliche Veränderung hin zur Elektromobilität gibt, verläuft sie vielen Akteuren zu langsam. Wer früh eingestiegen ist wartet dringend auf Erträge, wer immer noch nicht dabei ist, wartet weiter ab. Die Frage, wo die Geschäftsmodelle der künftigen Mobilität liegen, scheint komplexer zu sein als bei anderen Transformationen. Vielleicht ist die Vorhersage eines disruptiven Umschwungs, wie ihn etwa Lars Thomsen erwartet, ebenso zutreffend wie verstörend. Vielen gegenwärtigen Playern könnten die Kunden weglaufen, viele Investitionen die Bedarfe verfehlen, und vielen, die zur Umkehr bereit sind, der Geduldsfaden reißen. Trotzdem gibt es keine Alternative zur Reduzierung der verkehrsbedingten Schadstoff-Emissionen. Dieser Konsens rückt in den Hintergrund, wenn ein Porsche nicht nur als schnellstes, sondern auch als am schnellsten zu ladendes E-Mobil verkauft wird.
Volkswagen beschäftigt auch einen Zukunftsforscher. Mit interessanten Bildern unterstrich Wolfgang Müller-Pietralla die Notwendigkeit eines Umdenkens. In einem VW-Image-Film von 2007 wurde die Vision einer automobilen Zukunft entwickelt, in der ausschließlich autonom fahrende eCar-Sharing-Vehikel unterwegs sind: Ein Sohn befragt seinen Vater, wieso der in seiner Jugend überhaupt mit Verbrennungsmotoren gefahren ist.
links: Stille Eintracht von CHAdeMO und CCS
Knapp zehn Jahre später scheint Volkswagen kaum einen Schritt weiter gekommen. Selbst wenn eGolf und eUp im Programm sind, würde eine Welle von Fahrverboten in deutschen Städten, wie sie immer wahrscheinlicher werden, und die Entscheidung einiger Nachbarländer, Verbrennungsfahrzeuge ganz aus dem Verkehr zu ziehen, Konzerne wie Volkswagen sicher vor erhebliche Probleme stellen.
Der BSM hofft gemeinsam mit den vielen aktiven Elektromobilisten, dass das Engagement aus den Schaufenster-Projekten für den Umbau zu einer nachhaltigen Mobilität genutzt werden kann. Auch im Hinblick auf das nächste große Zusammentreffen bei der GGEMO-Konferenz am 6./7. Juni in Berlin sollten die Regierungsgespräche am 26. April endlich greifbare und geeignete Ergebnisse bringen.