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Freie Fahrt für das Verbot

Das Bundesverwaltungsgericht hat der Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) stattgegeben, die die Prüfung der Zulässigkeit von Fahrverboten als Maßnahme gegen die Stickstoffbelastung beantragt hatte. Mit diesem Urteil erhalten die Städte und Kommunen Rechtssicherheit, vor allem aber eine Drohkulisse, wenn es gilt weniger einschneidende Mittel durchzusetzen. Thomic Ruschmeyer (BSM) sieht die Position des BSM mit der Entscheidung bestätigt.

Text+Grafik BSM/mb .

Berlin 27.02.2018 Das BVerwG-Urteil kam nicht unerwartet. Die Verwaltungsgerichte in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg hatten bereits grünes Licht gegeben. Nun schlossen sich auch die obersten Richter in Leipzig der Ansicht an, dass die Bundesländer betroffenen Städten das Verhängen von Fahrverboten auferlegen können, wenn sie der Stickstoffbelastung neuralgischer Punkte anders nicht beikommen.

Thomic Ruschmeyer, der Vorsitzende des BSM ist zufrieden: "Das Urteil stärkt nicht nur die Bürger in ihrem Engagement gegen die Verpestung der Innenstädte. Vor allem zeigt sich, dass die OEMs nicht einfach so davonkommen. Die Umrüstung von Dieselfahrzeugen können und müssen sie selbst übernehmen."

Trostpflaster Verhältnismäßigkeit
FDP-Chef Lindner bezeichnete Fahrverbote als "kalte Enteignung", Verbände von Speditionsunternehmen und Handwerkern fürchten erhebliche Einbußen ihrer Mitglieder,wenn sie ihren Fuhrpark erneuern oder auf die Einfahrt in Städte verzichten müssen. Dazu hat sich das Gericht bereits geäußert. Es müssten unter bestimmten Bedingungen Ausnahmegenehmigungen für solche Betriebe erteilt werden. Allerdings schlossen die Richter Schadenersatzansprüche bereits aus. Trotzdem wird jede Kommune sorgfältig prüfen müssen, ob die Einhaltung von Schadtstoff-Grenzwerten nicht auch anders erreicht werden kann als durch Fahrverbote.

Entsprechend weisen Medien und auch der ADAC auf die Verhältnismäßigkeit einer jeden Maßnahme hin. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich in diesem Sinne zu dem Urteil:"Es geht wirklich nicht um die gesamte Fläche und alle Autobesitzer in Deutschland.“ Das Fahrverbot bleibt zwar letztes Mittel, vor dem eine ganze Reihe anderer Maßnahmen zu prüfen sind. Aber diese Maßnahmen werden erfahrungsgemäß ebenfalls auf Widerstand stoßen. Da hilft es der Durchsetzung, wenn man ein Fahrverbot in der Hinterhand hat.

Verkehrsminister startet Wettlauf um das erste Fahrverbot
So bleibt es ein weiter Weg von Grenzwertüberschreitungen in der Luft zu tatsächlichen Einfahrtsbeschränkungen. Die Bürgermeister der streitgegenständlichen Städte Stuttgart und Düsseldorf halten es für zu aufwändig, nur ganz bestimmten Dieselfahrzeugen ein Fahrverbot aufzuerlegen. Der Städtetag weist auf die mögliche Umrüstung der Fahrzeuge auf Kosten der Hersteller als bessere Alternative hin, sonst nämlich würden die Betroffenen nur andere Strecken volldieseln. Die Hansestadt Hamburg hat die ersten Fahrverbote für April angekündigt. Der kommissarische Verkehrsminister Schmid (CSU) hat daher vor einem "Wettlauf um das schnellste Fahrverbot" gewarnt. Und damit offiziell den Startschuss gegeben.

Die blaue Plakette
Wie soll die Polizei einem Fahrzeug ansehen, dass es die Bedingungen für die Einfahrt in Verbotszonen oder -straßen erfüllt oder nicht? Wie vom BSM, den Grünen und vielen anderen Organisationen seit langem gefordert, müssen saubere Fahrzeuge eindeutig mit einer blauen Plakette gekennzeichnet sein. Dem hat sich auch die Umweltministerin Dr. Hendricks angeschlossen. Hiergegen wendet sich Verkehrsminister Schmid, eine flächendeckende Lösung sei nicht notwendig. Nur wenige Städte seien betroffen, hatte auch Bundeskanzlerin Merkel kommentiert. Wie in diesen Städten ein Fahrverbot ohne Kennzeichnung der Kfz durchführbar ist, wird nicht klar. Aber in der Union wird ein fahverbot sowieso abgelehnt, warum sollte es durch eine blaue Plakette praktikabel werden.

Umsteigen auf Bus und Bahn
Intensiv diskutiert wurde der kostenfreie ÖPNV als Mittel zur Verringerung verkehrsbedingter Emissionen. Das Fahrverbot würde konsequenterweise die Mehrzahl der im ÖPNV eingesetzten Busse betreffen. So hat der Verband deutsche Verkehrsbetriebe (VDV) gefordert, den ÖPNV zu erneuern und auszubauen.

Bei der Verschiebung am 22.2. wurde noch viel spekuliert. Nicht wenige vermuteten ein Spiel auf Zeit oder Einflussnahme der Automobilindustrie. Der "schwarze Peter" solle zum EuGH geschoben werden. Dann ließ Staatssektretär Norbert Barthle aus dem Verkehrsministerium verlauten, man prüfe eine Änderung der Regelungen, um Fahrverbote zu ermöglichen - was dem BVerwG-Urteil die gesetzliche Grundlage entzöge. DUH-Vorstand Resch rügte diese Einflussnahme denn auch umgehend.