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Neue Mobilitätskommission eingerichtet | NPM

Die "Nationale Plattform Zukunft der Mobilität" (NPM) nimmt ihre Arbeit auf. Unter der Leitung von Prof. Henning Kagermann soll Deutschland nun endlich zum Leitmarkt und Leitanbieter der Elektromobilität gemacht werden. Struktur und Verantwortliche dieser neuen Kommission stellte die Bundesregierung am 19.09.18 vor, als Kagermann den letzten Bericht der NPE übergab. Fach- oder Umweltverbände gehören der NPM bislang nicht an.

von Matthias Breust

Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD und CDU auf die Einrichtung einer Kommission verständigt zur Abstimmung von Mobilitätskonzepten in Ansehung des Klimaschutzes. Mit der "Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität" kommt die Bundesregierung nun dieser Vereinbarung nach. Bei Übergabe und  Veröffentlichung des letzten Fortschrittsberichts, den die 2010 gegründete "Nationale Plattform Elektromobilität" (NPE) vorlegte, wurde das neue Gremium vorgestellt. Den Charakter einer Nachfolge-Organisation unterstreicht auch der Umstand, dass der Leiter der NPE Prof. Kagermann auch in der neuen NPM den Vorsitz führt. Allerdings erscheint fraglich, inwiefern eine Reduzierung schädlicher Emissionen oder eine Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Städten Berücksichtigung finden.

Künftig nur noch sechs AGs

Die Themen der sechs Arbeitsgruppen der NPM unterscheiden sich insofern von den NPE-AGs, dass weniger die Fahrzeugtechnik im Vordergrund steht, sondern ein systemischer Ansatz verfolgt wird. Der Kanon der NPE-AGs orientierte sich scheinbar an Abteilungen eines Unternehmens. Mit "Klimaschutz" und "Digitalisierung" gibt es in der NPM vollständig neue Aspekte, während sich die bisher eigenständigen Querschnittsthemen "Ausbildung" und "Recycling" künftig unter anderen Titeln finden.

Die AGs werden von Experten aus verschiedenen Bereichen geleitet. Der Geschäftsführer der Landesagentur e-mobil BW Franz Loogen sitzt der AG 1 vor, die sich mit dem Klimaschutz befassen soll, bislang aber noch ohne Klimaschützer. Der BSM hat allerdings in der Vergangenheit häufig gut mit ihm zusammen gearbeitet, zuletzt beim EVS 30.

Frau Professor Barbara Lenz (DLR) setzt sich seit Langem aktiv für eine Verkehrswende ein und geht selbst mit gutem Beispiel voran. Die von ihr geleitete AG 2 wird sich mit alternativen Antrieben beschäftigen. BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich übernimmt die AG 3 "Digitalisierung", in der auch "neue Mobilitätskonzepte (einschl. urbane und ländliche Räume)" untersucht werden.

Die Zukunft der Arbeitsplätze verhandelt die AG 4 unter IG-Metall-Chef Jörg Hoffmann, der bereits der NPE angehörte. Der FDP-Politiker Stefan Kapferer wiederum hat sich als Geschäftsführer des BDEW schon mit Sektorenkoppelung und dem Ausbau der Infrastruktur (AG 5) befasst. Entsprechendes gilt für den CEO von Phoenix Contact, Frank Stührenberg, der die AG 6 "Standardisierung" leiten wird.

Geht sofort los

Die sechs AG-Leiter bilden den Lenkungskreis, in dem außerdem Länder und Kommunen vertreten sind und die Ministerien für Verkehr, Wirtschaft, Finanzen, Umwelt sowie Arbeit und Soziales. Es sollen auch Fachverbände dazu gehören, aber weder BEE noch BSM wurden bislang dazu eingeladen. Sollte unsere Befürchtung eintreffen und nur über das Auto, über saubere Verbrenner und per HPC betriebene e-SUVs gesprochen werden, sind wir - in- oder außerhalb der NPM - extrem gefordert, an die Reduzierung verkehrsbedingter Emissionen und die Verbesserung der Lebensbedingungen insgesamt zu erinnern. Sonst überlassen wir die Zukunft der Mobilität den Mobilen der Vergangenheit. In der KW 39 nimmt der Lenkungskreis unter dem Vorsitz von Henning Kagermann seine Arbeit auf.

NPE hat das Millionenziel verfehlt

Das Fazit des NPE-Fortschrittsberichts klingt nüchtern: "Die Million E-Fahrzeuge kommt erst 2022." Nur zwei Jahre später als angekündigt werden also 2-3% aller deutschen Kfz ganz oder zum Teil mit Strom betrieben. Ist das die "Zukunft der Mobilität", mit der sich die neue "Nationale Plattform" befassen soll? - Drei Forderungen stellt die NPE ihrem Bericht voran.

  • Beibehalten des Umweltbonus ("Kaufprämie") bis zum 1-Million-Ziel;
  • Umsetzung des Elektromobilitätsgesetzes (EmoG) in den Kommunen;
  • kundenspezifische und erlebbare Kommunikation des Gesamtsystems Elektromobilität.
  • Die NPE hat weder an ihre eigene noch die Arbeit der NPM irgendwelche konkrete Vorgaben oder Erwartungen geknüpft, obwohl doch alle Stakeholder darin vertreten sein sollten. An wen sich also diese Forderungen richten, bleibt einigermaßen unklar. Die NPE schreibt den Anstieg der Zulassungszahlen der Kaufprämie zu. Für diesen Zusammenhang gibt es keinen Beleg, nur eine "Expertenschätzung des VDA". Dabei hätte man - überspitzt formuliert - die paar Käufer auch direkt nach ihren Beweggründen befragen können. So ist bereits die erste NPE-Forderung m.E. eine Nebelkerze. Wirklich gefördert würde Elektromobilität, wenn z.B. die Teilnehmer des NPM-Lenkungskreises elektrisch anreisen und allen mit leuchtenden Gesichtern erzählen würden, welchen Spaß ihnen das gemacht hat.

    Die Möglichkeiten des EMoGs (Gratis-Parken/Busspur-Nutzung etc.) haben offenbar nur 1% der Kommunen genutzt. Auch hier sucht die NPE den Fehler bei den Kommunen und nicht beim EMoG. Der Anteil batterie-elektrischer Fahrzeuge ist im Promille-Bereich: mit 130.000 von insgesamt 44 Mio. zugelassenen Fahrzeugen zum Jahreswechsel 2018/19 machen sie voraussichtlich etwa 0,3% des Gesamtbestands aus. Nach EMoG fallen darunter auch 62.000 Plug-in-Hybride, die weitgehend unverdient - nämlich vom Verbrenner angetrieben - in den Genuss solcher Vorteile kämen.

    Die dritte Forderung richtet sich wohl kaum an die vielen Elektromobilisten, die unentwegt über die Vorzüge des Fahrens mit Strom berichten. Die NPE, die von der Regierung zur Erfüllung dieser Forderungen eingerichtet wurde, benennt keine Verantwortlichen. Sie fände sie in ihren eigenen Reihen. Daher bleibt nur zu hoffen, dass die in der NPM vertretenen Kräfte in die Pflicht genommen werden, sich auch außerhalb der Sitzungen für eine "Zukunft der Mobilität" einzusetzen.

    Es steht zu befürchten, dass es in der NPM wieder um die Zukunft des Autos und damit der OEMs gehen wird. Der BSM hätte sich hier ein ergebnis-offenes Podium gewünscht, in dem alle Karten auf den Tisch kommen, damit ein überzeugendes und menschenwürdiges Konzept für die nächsten Jahrzehnte entwickelt werden kann. Wie schon bei den Maßnahmen der fünf Modell-Kommunen fehlt der politische Wille, kreativen Projekten einen Experimentierraum zu überlassen. Schon die Elektrifizierung einer Handvoll Busse scheint angesichts dieser Mutlosigkeit wie eine Mammutaufgabe.

    Der BSM fordert die Bundesregierung und insbesondere die beteiligten Ministerien auf, sich des Sachverstands und des Engagements zu bedienen, die in den Schaufenster-Projekten aufgebaut wurden, statt sich auf die üblichen Verdächtigen zu verlassen, die ihre Geschäftsmodelle bis zum Ende ausreiten wollen. Gemeinsam mit seinen Partnern in der Zivilgesellschaft steht der BSM jederzeit für einen Austausch zu Verfügung.