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Berliner Erklärung (2008)

Im Februar 2008 verfasste der BSM folgende Erklärung als Ergebnis eines Workshops, der im Rahmen der SolarEnergy in Berlin stattfand:

Berliner Erklärung zur Elektromobilität

  1. Wirtschaft, Politik und Verbraucher werden aufgefordert, die mit Verbrennungsmotoren ausgerüstete deutsche Fahrzeugflotte in einem Stufenplan, der sich am Alter der Fahrzeuge bemisst, bis 2035 auf batterielektrischen Antrieb umzustellen. Damit ist sofort zu beginnen. Die Bundesregierung wird gebeten, diesen Stufenplan umgehend auszuarbeiten. Bis 2020 sollten mindestens 2 Millionen Elektrofahrzeuge auf den Strassen sein.
  2. Andere Fahrzeuge als ZEV (Zero Emission Vehicle) werden von einem in dem Stufenplan zu definierenden Zeitpunkt an nicht mehr zugelassen.
  3. Die elektrische Energie für den Antrieb wird aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen. Die Energiewirtschaft soll vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Neue Kohlekraftwerke sollen nicht errichtet und die Laufzeiten der Atomkraftwerke nicht verlängert werden.
  4. Die Automobilindustrie wird ersucht, die erforderlichen Fahrzeugmodelle schnellstmöglich zu entwickeln und bereitzustellen. Die Investitionsmittel sind auf das neue Anwendungsgebiet umzulenken. Forschung und Entwicklung sind im selben Mass wie bisher für den Verbrennungsmotor nunmehr für den Elektroantrieb einzusetzen. Verstärkte FuE-Anstrengungen sind für die Batterietechnik zu unternehmen.
  5. Die Hybridtechnik kann als sinnvolle Übergangstechnologie zum Einsatz kommen, wenn das Hybridfahrzeug im Alltagseinsatz rein elektrisch fahren und an der Steckdose aufgeladen werden kann (Plug-in-Hybrid).
  6. Der bsm empfiehlt für die Umstellung folgende Rahmenbedingungen:
  • Steuergutschrift für E-Fahrzeuge bzw. Lenkungsabgabe (Belastung stark emittierender Fahrzeuge z. B. durch CO2-Steuer und Verwendung dieses Aufkommens für Kaufzuschüsse zu Null-Emissionsfahrzeugen)
  • Clean Air Act entsprechend dem ursprünglichen Konzept für Kalifornien, der den Herstellern einen steigenden Anteil von Null-Emissionsfahrzeugen an ihren Flotten verbindlich vorschreibt
  • Zulassung nur noch für Null-Emissionsfahrzeuge ab 2020
  • Produktionsvorschriften für Automobilhersteller
  • Umweltzonen, die nur von Null-Emissionsfahrzeugen befahren werden dürfen
  • City-Maut einführen, mit Ausnahmen für Null-Emissionsfahrzeuge
  • Mauteinnahmen verwenden für Kaufzuschüsse zu Null-Emissionsfahrzeugen
  • reservierte Parkplätze mit Stromtankstellen für E-Fahrzeuge
  • Mauteinnahmen verwenden für den Ausbau einer Stromtankstellen-Infrastruktur
  • Nutzung bevorrechtigter Fahrspuren für Null-Emissionsfahrzeuge

 

Die gesamte Gesellschaft ist aufgefordert, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung schnellstmöglich die notwendigen Massnahmen zu treffen, um im Verkehrssektor die CO2-Emissionen soweit wie möglich zu beseitigen und Vorsorge für das absehbare Ende des Erdöls zu leisten.

 

Diese Erklärung ist das Ergebnis eines Workshops, den Bundesverband Solare Mobilität (BSM) am 23. Februar 2008 zum Thema „Elektromobilität & Erneuerbare Energien“ veranstaltet hat.

Meinungsumschwung pro Elektromobilität
Auf dem gut besuchten Workshop wurde dargestellt, welch’ positive Entwicklung das Konzept der Elektromobilität genommen hat, seitdem der bsm vor gut zwei Jahren seinen dahingehenden Aufruf1 veröffentlicht hat. Vor allem die Klimakatastrophe, die jetzt nicht mehr ernsthaft bestritten wird, hat zu diesem Umdenken geführt. Es wird deutlich, dass es nicht ausreicht, für die Welt eine blosse Reduktion der CO2-Emissionen zu fordern, sich zu Hause aber für den Bau neuer Kohlekraftwerke und die Emissionen grosser Limousinen einzusetzen. Nein, der Schadstoffausstoss muss und kann auf Null gesenkt werden – mit dem Zero Emission Vehicle, und mit einem vollständigen Übergang auf Erneuerbare Energien. Umso erfreulicher ist, es, dass immer mehr Stimmen laut werden, die die Elektromobilität als Zukunftsoption anerkennen, vom Bundesumweltminister über den Vorsitzenden von Daimler und weitere Vertreter fast aller Automobilhersteller bis zum Präsidenten des Umweltbundesamtes. Bündnis90/Die GRÜNEN fordern mittlerweile eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020 – ein sehr bedeutsamer Fortschritt. Es hat sich herumgesprochen, dass mit Biokraftstoffen schon wegen der Flächenkonkurrenz Benzin und Diesel nicht zu ersetzen sind. Die Kraftwerkswirtschaft zeigt Interesse an der Möglichkeit, die Akkus der Fahrzeuge als Speicher zu nutzen (V2G – Vehicle to Grid). Nun müssen den Worten auch Taten folgen – und dafür müssen wir vom bsm uns einsetzen. Die Bundesregierung hat in ihr Mobilitätskonzept jetzt endlich auch die Elektromobilität aufgenommen – aber noch bleibt es bei Absichtserklärungen. Wirksame politische Massnahmen sind nicht zu erkennen. Es gibt Informationen, die Regierung plane, mittelfristig nur noch umweltfreundliche Fahrzeuge zuzulassen. Aus unserer Sicht können das nur Elektrofahrzeuge mit erneuerbarer Energie sein – Übergangstechnologien wie der Hybridantrieb natürlich nicht ausgeschlossen2.

Gesundheitsschäden durch Autoabgase
Nicht nur die Klimakatastrophe ist es, die uns aufruft, den Irrsinn zu beenden, mit dem wir uns und unseren Kindern die Atemluft verpesten. Auch der Schutz der Gesundheit rückt zunehmend ins öffentliche Bewusstsein. Es war die EU-Kommission, die uns gezwungen hat, der Feinstaubproblematik zu Leibe zu rücken. Warum nicht auch den Stickoxiden, aus denen sich das Ozon bildet, das ungezählten Menschen quälende Atemwegsbeschwerden und unerträgliche Kopfschmerzen bereitet? Auch das Rauchverbot, ein weiteres untrügliches Zeichen für steigendes Gesundheitsbewusstsein, hat uns die EU beschert. Warum dürfen eigentlich Autos weiter in der Öffentlichkeit rauchen? Wieviel Todesfälle durch Krebs werden dadurch verursacht? Auch der 2007 um 15 Prozent gestiegene Biolandbau zeigt, dass es immer mehr Menschen nicht gleichgültig ist, welche Substanzen sie ihrem Organismus zuführen.

Schafft die Autoindustrie die Wende?
Da so viele Millionen Menschen vom und mit dem Verbrennungsmotor leben, scheint es manchmal unmöglich, eine Wende beim Antrieb und bei der Energieversorgung herbeizuführen. Der Opel-Chef hatte die Stirn, seinen Umsatzrückgang um 14,5 Prozent (!!) der Umweltdiskussion anzulasten, statt nun schnellstmöglich das in der Pipeline ja schon vorhandene Elektroauto auf den Markt zu bringen. Daimler (damals noch DaimlerChrysler) hat sage und schreibe 30 Milliarden € Verlust gemacht, weil der jetzige Vorstandsvorsitzende (der sich mittlerweile schon für den Elektroantrieb ausgesprochen hat) beim Sanieren zwar Tausende von Jobs strich und Werke schloss – aber leider, leider weiter spritsaufende Autos produzieren liess. GM hat mit 44 Milliarden Dollar den grössten Verlust in der Werksgeschichte produziert.

Der bsm hat schon 2005 in seinem Aufruf zum Ausdruck gebracht, dass die Autoindustrie ihre eigene Existenz, dazu noch die ihrer Zulieferer und Hunderttausender Mitarbeiter aufs Spiel setzt, wenn sie sich nicht umstellt. 200 Smarts werden jetzt für London in Elektroversion geliefert, weil man damit die City-Maut spart. Warum nicht bei uns? Ist es eine intellektuelle Frage? Fehlt es am staatlichen Zwang oder an finanziellen Anreizen?

Die Nachfrage nach den Elektroleichtfahrzeugen Twike und CityEl steigt – ebenfalls ein deutliches Zeichen für die Einsicht der Verbraucher in den Klimawandel, die Probleme mit dem schwindenden Öl und natürlich den Benzinpreisen. Der Smart wird, wie erwähnt, in Elektroversion nach London geliefert. Das ist schon fast der Beweis, dass wir solche Formen der Regulierung wie die City-Maut auch bei uns brauchen. Der TH!NK wird für den norwegischen Markt produziert, weil die norwegische sehr hohe Kfz-Steuer nicht für Elektroautos erhoben wird. Auch seine Vorgeschichte liefert uns tiefe Einblicke in die Reaktionsweisen der Automobilindustrie. Denn die Firma Ford hatte die Firma TH!NK gekauft, weil sie unter dem Clean Air Act in Kalifornien Zero Emission Vehicles im Angebot haben musste. Aber kaum hatten die grossen Autohersteller das Gesetz ausgehebelt, verkaufte Ford TH!NK wieder und konnte nur durch den Protest vieler Liebhaber der Elektroautos daran gehindert werden, sämtliche noch vorhandenen Exemplare zu verschrotten – ganz nach dem Motto von General Motors, die ihr tolles EV1 (Electrical Vehicle No 1) zerstörten, indem sie sagten: Wer kauft denn noch unsere Stinker, wenn die Leute wissen, dass es solch ein tolles sauberes Auto gibt?

Und was lernen wir daraus? Dass die Industrie offensichtlich bei dem, was in ihrem eigenen Interesse liegt, mit gesetzlichen Regelungen unterstützt werden muss, sonst schafft sie es aus eigener Kraft nicht.

Rahmenbedingungen
Deshalb hat das Plenum des Workshops gemeinsam mit den Diskutanten der Podiumsdiskussion eine Willensbildung durchgeführt, welche Rahmenbedingungen zu schaffen sind, um das Elektrofahrzeug so bald wie möglich und in so grosser Breite wie möglich zur Durchsetzung zu bringen. Einstimmig sprach sich das Plenum für die Forderung aus, bis 2020 nicht nur eine Million, sondern zwei Millionen E-Fahrzeuge auf die Strasse zu bringen. Eine grosse gesellschaftliche Kraftanstrengung sei nötig, um die gesamte Fahrzeugflotte auf Elektroantrieb umzustellen – bis dieser genauso selbstverständlich ist wie heute der Verbrennungsmotor. Realistischerweise könne dies nicht von heute auf morgen, sondern nur in einem Stufenplan erfolgen, da ja jedes Jahr nur ein bestimmter Teil der Fahrzeugflotte ausgemustert wird und ersetzt werden muss. Bis 2035 ist das aber zu schaffen; doch muss sofort damit begonnen werden. Auch für die Forderung, nur noch abgasfreie Fahrzeuge zuzulassen, sprach sich eine beträchtliche Anzahl der Teilnehmer aus. Einstimmig stimmte die Versammlung dafür, dass Autos elektrisch angetrieben werden, und zwar mit erneuerbaren Energien. Sie beauftragte den bsm, ein Konzept für geeignete Vorschriften auszuarbeiten, mit denen der Elektroantrieb so schnell wie möglich und so breit wie möglich durchgesetzt wird. Eine erste Erklärung wird im folgenden vorgelegt und soll zusammen mit dem Aufruf „Elektroantriebe für Autos“ den Entscheidungsträgern in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zugänglich gemacht werden.

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